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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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eine heraus, steckte die Schachtel wieder weg und knöpfte die Taschenklappe zu. Rauchend sah er sich ausdruckslos im Zimmer um. Sein Blick blieb schließlich am Radio hängen. »Hey«, sagte er. »In’ paar Minuten kommt ’ne irrsinnige Sendung im Radio. Bob Hope und so.«
    X sagte, während er ein frisches Päckchen Zigaretten öffnete, er habe das Radio eben erst ausgeschaltet.
    Ungerührt sah Clay zu, wie X versuchte, eine Zigarette angezündet zu bekommen. »Mensch«, sagte er mit der Begeisterung des Zuschauers, »du solltest mal deine verdammten Hände sehen. Junge, du zitterst ja vielleicht. Ist dir das klar?«
    X schaffte es, seine Zigarette anzuzünden, nickte und sagte, Clay habe echt einen Blick fürs Detail.
    »Ganz ehrlich, hey. Ich bin verdammt noch mal fast in Ohnmacht gefallen, als ich dich im Krankenhaus gesehen hab. Du hast ausgesehen wie eine verdammte Leiche . Wie viel hast du abgenommen? Wie viele Kilo? Weißt du das?«
    »Weiß ich nicht. Wie war deine Post, solange ich weg war? Von Loretta gehört?«
    Loretta war Clays Freundin. Sie hatten vor zu heiraten, sobald es ging. Sie schrieb ihm ziemlich regelmäßig aus einem Paradies der dreifachen Ausrufezeichen und ungenauen Beobachtungen. Den ganzen Krieg hindurch hatte Clay X alle Briefe Lorettas vorgelesen, wie intim sie auch waren – ja, je intimer, desto besser. Nach jeder Lektüre pflegte er X zu bitten, den Antwortbrief zu entwerfen oder auszuschmücken oder ein paar eindrucksvolle französische oder deutsche Wörter einzufügen.
    »Ja, gestern ist ein Brief von ihr gekommen. In meinem Zimmer unten. Zeig ihn dir später«, sagte Clay lustlos. Er setzte sich aufrecht auf die Bettkante, hielt die Luft an und rülpste anhaltend und dröhnend. Nur halb erfreut über seine Leistung, entspannte er sich wieder. »Ihr verdammter Bruder kommt wegen seiner Hüfte aus der Navy raus«, sagte er. »Der hat’s an der Hüfte, der Scheißkerl .«
    W ieder richtete er sich auf und versuchte erneut zu rülpsen, jedoch mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen. Ein Anflug von Wachheit überzog sein Gesicht. »Hey. Bevor ich’s vergesse. Wir müssen morgen früh um fünf raus und nach Hamburg oder so wohin fahren. Eisenhower - Jacken für die ganze Einheit holen.«
    X sah ihn feindselig an und erklärte, er wolle keine Eisenhower – Jacke.
    Clay schaute ihn verblüfft, fast ein bisschen verletzt a n. »Oh, die sind aber gut! Die sehen gut aus. Wie kommt’s?«
    »Kein Grund. Warum müssen wir um fünf raus? Der Krieg ist doch vorbei, Herrgott.«
    »Ich weiß nicht – wir müssen vor Mittag wieder zurück sein. Die haben ein paar neue Formulare reingekriegt, die müssen wir vor Mittag ausfüllen . … Ich hab Bulling gefragt, warum wir die nicht noch heute Abend ausfüllen können – der hat die verdammten Formulare nämlich bei sich auf dem Schreib tisch liegen. Er will die Umschläge noch nicht aufmachen, der Scheißkerl.«
    Eine Weile saßen die beiden schweigend da und hassten Bulling.
    Plötzlich sah Clay X mit neuem – stärkerem – Interesse als vorher an. »Hey«, sagte er. »Hast du gewusst, dass die Seite von deinem Gesicht überall ganz verdammt zuckt?«
    X sagte, er wisse Bescheid, und hielt den Tick mit der Hand zu.
    Clay starrte ihn einen Augenblick an und sagte dann recht lebhaft, als wäre er der Überbringer außergewöhnlich guter Nachrichten: »Ich hab Loretta geschrieben, du hättest einen Nervenzusammenbruch gehabt.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Für solches Zeug interessiert sie sich wie blöd. Sie studiert Psychologie .«
    C lay streckte sich samt Schuhen auf dem Bett aus. »Weißt du, was sie gesagt hat? Sie sagt, bloß vom Krieg oder so kriegt niemand einen Nervenzusammenbruch. Sie sagt, wahrscheinlich warst du irgendwie instabil, schon dein ganzes Leben lang.«
    X spreizte die Hand über den Augen – das Licht überm Bett schien ihn zu blenden – und sagte, Lorettas Erkenntnisse seien stets eine Freude.
    Clay blickte zu ihm hin. »Hör mal, du Arsch«, sagte er.
    »Die kennt sich in der verdammten Psychologie um einiges besser aus als du .«
    »Glaubst du, du kannst dich überwinden, deine stinkenden Füße von meinem Bett zu nehmen?«, fragte X.
    Clay ließ die Füße für ein paar Sag - m ir - n icht - w o - ich m eine – Füße - h in - tun - s oll – Sekunden, wo sie waren, schwenkte sie dann auf den Fußboden und setzte sich auf. »Ich geh sowieso runter. In Walkers Zimmer haben sie das Radio an .«
    D ennoch erhob er sich

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