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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Feldpostnummern.
    Er öffnete das Päckchen ohne jedes Interesse, ohne auch nur nach dem Absender zu sehen. Er öffnete es, indem er die Schnur mit einem angezündeten Streichholz durchbrannte. Es interessierte ihn mehr, die Schnur ganz abbrennen zu sehen, als das Päckchen zu öffnen, doch schließlich tat er es doch.
    In dem Kästchen lag auf einem kleinen, in Seidenpapier gewickelten Gegenstand ein mit Tinte beschriebenes Blatt Papier. Er nahm das Blatt und las es.
     
    17, ------------------- Road
    ------------ , Devon
    7. Juni 1944
    Lieber Sergeant X ,
    ich hoffe, Sie sehen es mir nach, dass es 38 Tage gedauert hat, bis ich unsere Korrespondenz beginne, aber ich hatte extrem viel zu tun, da meine Tante sich Streptokokken im Hals zugezogen hat und beinahe umgekommen ist und mir berechtigterweise eine Verantwortung nach der anderen aufgebürdet war. Allerdings habe ich häufig an Sie gedacht und an den extrem angenehmen Nachmittag, den wir zusammen verbracht haben, am 30. April 1944 zwischen 15.45 und 16.15 Uhr, falls es Ihnen entfallen ist.
    Wir sind alle ungeheuer begeistert und überwältigt vom D – Day und hoffen nur, dass er die rasche Beendigung des Krieges und einer Existenzweise bewirkt, die, um das Mindeste zu sagen, lächerlich ist. Charles und ich sind sehr in Sorge um Sie; wir hoffen, Sie waren nicht unter denen, die den allerersten Angriff auf die Halbinsel Cotentin u nternahmen. Oder doch? Bitte antworten Sie so rasch als möglich. Meine besten Empfehlungen an Ihre Frau.
    Mit herzlichen Grüßen
    Ihre Esmé
     
     
    PS: Ich erlaube mir, meine Armbanduhr beizulegen, die Sie für die Dauer dieses Konflikts in Ihrem Besitz behalten dürfen. Ich habe nicht bemerkt, ob Sie während unseres kurzen Beisammenseins eine trugen, diese hier ist jedenfalls extrem wasserdicht und stoßgesichert und besitzt noch zahlreiche weitere Vorzüge, unter anderem kann man ablesen, mit welcher Geschwindigkeit man geht, wenn man möchte. Ich bin mir ganz sicher, dass Sie die Uhr in dieser schwierigen Zeit mit größerem Nutzen tragen, als ich es je vermag, und dass Sie sie als Glückstalisman annehmen. Charles, den ich Lesen und Schreiben lehre und den ich für einen extrem intelligenten Anfänger halte, möchte gern ein paar Worte anfügen. Bitte schreiben Sie, sobald Sie die Zeit und die Neigung haben.
     
     
    HALLO HALLO HALLO HALLO HALLO
    HALLO HALLO HALLO HALLO HALLO
    GRÜSSE UND KÜSSE CHALES
     
    Es dauerte lange, bis X den Zettel beiseitelegen konnte, ganz zu schweigen davon, die Armbanduhr von Esmés Vater aus dem Kästchen zu nehmen. Als er sie schließlich doch herausnahm, sah er, dass das Glas auf dem Transport zerbrochen worden war. Er fragte sich, ob die Uhr ansonsten unbeschädigt war, hatte aber nicht den Mut, sie aufzuziehen und es herauszufinden. Er saß einfach weiter lange da, die Uhr in der Hand. Dann war er plötzlich, beinahe ekstatisch, schläfrig.
    Nimmst du dir einen richtig schläfrigen Mann, Esmé, dann hat er i mmer die Chance, wieder ein Mann zu werden, ein Mann im Vollbesitz aller seiner Krä - im Vollbesitz aller seiner K - r - ä - f - t - e .
     
     
    HÜBSCH MEIN MUND,
    DIE AUGEN GRÜN
     
    A l s das Telefon klingelte, fragte der grauhaarige Mann d ie junge Frau, durchaus mit etwas Ehrerbietung, ob es ihr aus irgendeinem Grund lieber wäre, wenn er nicht dranginge. Die junge Frau hörte ihn wie aus einiger Entfernung und wandte ihm das Gesicht zu, ein Auge – auf der Seite des Lichts – fest geschlossen, das offene Auge sehr, allerdings unaufrichtig, groß und so blau, dass es beinahe violett erschien. Der grauhaarige Mann bat sie, sich zu beeilen, und sie richtete sich auf dem rechten Unterarm gerade so schnell auf, dass die Bewegung nicht mechanisch wirkte. Mit der linken Hand strich sie sich die Haare aus der Stirn und sagte: »Gott. Ich weiß nicht. Was meinst du denn ?«
    D er grauhaarige Mann sagte, er könne nicht erkennen, dass es so oder so ungeheuer viel ändern würde, und schob die linke Hand unter den stützenden Arm der jungen Frau oberhalb des Ellbogens, arbeitete sich mit den Fingern hinauf, schuf Raum für sie zwischen der warmen Fläche ihres Oberarms und der Brustwand. Mit der rechten Hand langte er nach dem Telefon. Um es ohne weiteres Tasten zu erreichen, musste er sich ein wenig höher aufrichten, was dazu führte, dass sein Hinterkopf eine Ecke des Lampenschirms streifte. In dem Augenblick fiel das Licht besonders schmeichelnd, wenn auch intensiv, auf seine

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