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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Ich möchte nicht, dass sie wieder um die ganzen Liegestühle herumstreicht und die Leute belästigt. Wenn dieser schreckliche Mann – «
    »Das geht schon klar mit ihr. Ich habe ihr die Kamera gegeben.«
    Mr McArdle stemmte sich auf einem Arm hoch. »Du hast ihr die Kamera gegeben!«, sagte er. »Was soll das denn? Meine verdammte Leica! Ich lasse doch keine Sechsjährige überall damit herumzigeu – «
    »Ich habe ihr gezeigt, wie sie sie halten soll, damit sie sie nicht fallen lässt«, sagte Teddy. »Und natürlich habe ich auch den Film herausgenommen.«
    »Ich will die Kamera, Teddy. H örst du? Ich möchte, dass du jetzt augenblicklich von der Tasche steigst, und i ch möchte, dass die Kamera in fünf Minuten wieder in diesem Zimmer ist – sonst ist unter den Vermissten ein kleines Genie. Ist das klar?«
    Teddy drehte die Füße auf der Reisetasche um und stieg herab. Er beugte sich vor und band sich den Schnürsenkel seines linken Turnschuhs zu, wobei ihm sein Vater, der sich noch immer auf den Ellbogen stützte, wie ein Aufsichtslehrer zusah.
    »Sag Booper, sie soll herkommen«, sagte Mrs McArdle. »Und gib Mutter einen Kuss.«
    Nachdem Teddy den Turnschuh zugebunden hatte, gab er seiner Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Sie wiederum zog den linken Arm gekrümmt unterm Laken hervor, wie um damit unbedingt Teddys Taille zu umfassen, doch als sie den Arm dann draußen hatte, war Teddy schon woanders. Er war auf der anderen Seite herumgegangen und hatte den Raum zwischen den beiden Betten betreten. Er bückte sich und richtete sich wieder auf, unterm linken Arm das Kissen seines Vaters und in der rechten Hand den Glasaschenbecher, der auf den Nachttisch gehörte. Er nahm den Aschenbecher nun in die linke Hand, ging zum Nachttisch und wischte mit der Kante der rechten Stummel und Asche der Zigarette seines Vaters hinein. Dann, bevor er den Aschenbecher wieder dahin stellte, wo er hingehörte, wischte er mit der Unterseite des Unterarms die flockigen Ascherückstände von der Glasplatte des Tischs. Den Unterarm wiederum wischte er an seinen Seersucker – Shorts ab. Dann stellte er mit ungeheurer Sorgfalt, als glaubte er, der Aschenbecher sollte exakt in die Mitte eines Nachttischs gestellt werden oder gar nicht, den Aschenbecher auf die Glasplatte. In dem Augenblick hörte sein Vater, der ihn dabei beobachtete, abrupt auf, ihn zu beobachten. »Willst du denn nicht dein Kissen?«, fragte Teddy ihn.
    »Ich will die Kamera, junger Mann.«
    »Diese Haltung ist doch nicht bequem. Das ist gar nicht möglich«, sagte Teddy. »Ich lasse es dir hier liegen .« E r legte das Kissen ans Fußende des Bettes, in einiger Entfernung von den Füßen seines Vaters. Er schickte sich an, die Kabine zu verlassen.
    »Teddy«, sagte seine Mutter, ohne sich umzudrehen. »Sag Booper, ich möchte sie noch vor der Schwimmstunde sprechen.«
    »Lass die Kleine doch mal in Ruhe«, sagte Mr McArdle. »Anscheinend passt es dir nicht, dass sie mal ein paar lausige Minuten Freiheit hat. Weißt du, wie du sie behandelst? Ich sage dir mal genau, wie du sie behandelst. Du behandelst sie wie eine verflixte Kriminelle.«
    »Verflixt! Ach, das ist ja süß! Du wirst ja richtig englisch, mein Liebster.«
    Teddy verharrte einen Augenblick in der Tür, probierte sinnierend an dem Türknopf herum, drehte ihn langsam nach rechts und links. »Wenn ich durch diese Tür gegangen bin, könnte ich bei allen meinen Bekannten nur noch im Kopf existieren«, sagte er. »Ich könnte auch eine Orangenschale sein.«
    »Was, mein Schatz?«, fragte Mrs McArdle, die noch immer auf der rechten Seite lag, vom anderen Ende der Kabine.
    »Nun mach mal voran, Freundchen. Bring mir die Leica.«
    »Komm, gib deiner Mutter einen Kuss. Einen schönen großen.«
    »Jetzt nicht«, sagte Teddy geistesabwesend. »Ich bin müde .«
    E r schloss die Tür hinter sich.
     
    Die Tageszeitung des Schiffs lag unmittelbar hinter der Türschwelle. Sie war ein einzelnes Hochglanzblatt, das nur auf einer Seite bedruckt war. Teddy hob sie auf und las sie, während er langsam den langen Korridor Richtung Heck ging. Vom anderen Ende kam ihm eine mächtige blonde Frau in einer gestärkten weißen Uniform entgegen, sie trug eine Vase mit langstieligen roten Rosen. Als sie an Teddy vorbeiging, streckte sie die linke Hand aus, strich ihm damit über den Kopf und sagte: »Da muss sich jemand mal wieder die Haare schneiden lassen! « T eddy blickte teilnahmslos von seiner Zeitung auf,

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