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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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doch da war die Frau schon vorbei, und er drehte sich nicht nach ihr um. Er las weiter. Am Ende des Ganges, vor einem riesigen Wandgemälde vom heiligen Georg mit dem Drachen über dem Treppenabsatz, faltete er die Schiffszeitung zweimal zusammen und steckte sie in die linke Gesäßtasche. Dann stieg er die breiten, flachen teppichbedeckten Stufen zum Hauptdeck, eine Treppe höher, hinauf. Er nahm zwei Stufen auf einmal, allerdings langsam, hielt sich dabei am Geländer fest und legte den ganzen Körper hinein, als wäre das Ersteigen einer Treppe für ihn, wie für viele Kinder, ein mäßig angenehmer Selbstzweck. Auf dem Absatz des Hauptdecks ging er direkt zum Tresen des Zahlmeisters, wo gerade eine gut aussehende junge Frau in Marineuniform Dienst tat. Sie war dabei, einige vervielfältigte Papierbögen zusammenzuheften.
    »Könnten Sie mir bitte sagen, wann das Spiel heute beginnt?«, fragte Teddy sie.
    »Wie bitte?«
    »Könnten Sie mir sagen, wann das Spiel heute beginnt?«
    Die junge Frau lächelte ihn lippenstiftig an. »Welches Spiel denn, Kleiner?«, fragte sie.
    »Sie wissen schon. Dieses Wörterspiel, das gestern und vorgestern lief, wo man die fehlenden Wörter einsetzen soll. Es geht vor allem darum, dass man alles in einen Zusammenhang stellen muss.«
    Die Frau war im Begriff, drei Blatt Papier zwischen die Ebenen ihres Hefters zu stecken, hielt damit aber inne. »Ach«, sagte sie. »Erst am Spätnachmittag, glaube ich. Ich glaube, gegen vier Uhr. Aber ist das nicht ein bisschen zu hoch für dich?«
    »Nein … Danke«, sagte Teddy und wandte sich zum Gehen.
    »Moment noch, Kle in er! Wie heißt du denn?«
    »Theodore McArdle«, sagte Teddy. »Und Sie?«
    »Ich?«, sagte die Frau und lächelte. »Ich heiße Ensign Mathewson.«
    Teddy sah zu, wie sie ihren Hefter zusammendrückte. »Dass Sie Ensign sind, wusste ich«, sagte er. »Ich weiß nicht genau, aber ich glaube, wenn jemand einen fragt, wie er heißt, sagt man doch den vollständigen Namen. Jane Mathewson oder Phyllis Mathewson oder was er eben ist.«
    »Ach, wirk l ich ? «
    »Wie gesagt, ich glaub e es«, sagte Teddy. »Aber sicher bin ich mir nicht. Es könnte anders sein, wenn man in Uniform ist. Jedenfalls danke für die Information. Auf Wiedersehen! «
    E r wandte sich um und ging die Treppe zum Promenadendeck hinauf, wieder zwei Stufen auf einmal, diesmal aber schien er es ziemlich eilig zu haben.
    Nach intensiver Suche entdeckte er Booper ganz oben auf dem Sportdeck. Sie war in einer sonnigen Schneise – beinahe einer Lichtung – zwischen zwei Decktennisplätzen, auf denen nicht gespielt wurde. In der Hocke, die Sonne im Rücken, die seidigen, blonden Haare von einer l eichten Brise gekräuselt, häufte sie geschäftig zwölf oder vierzehn Shuffleboard - Scheiben zu zwei einander berührenden Stapeln auf, einen mit den schwarzen, einen mit den roten Scheiben. Dicht dabei, rechts von ihr und nur in der Rolle des Beobachters, stand ein sehr kleiner Junge in einem kurzärmeligen Baumwoll - Spielanzug. »Sieh mal!«, sagte Booper gebieterisch zu ihrem Bruder, als der näher kam. Sie beugte sich vor und umschloss die beiden Stapel Shuffleboardscheiben mit den Armen, um ihr Werk herauszustellen und es von allem anderen, was es sonst noch an Bord gab, abzugrenzen. » My ron «, sagte sie feindselig zu ihrem Kameraden, »du machst alles schattig, sodass mein Bruder es nicht sehen kann. Beweg deinen Hintern .«
    S ie schloss die Augen und wartete mit einer gottergebenen Grimasse, bis Myron zur Seite gerückt war.
    Teddy stand vor den beiden Scheibenstapeln und blickte prüfend auf sie hinab. »Das ist sehr hübsch«, sagte er. »Sehr symmetrisch.«
    »Der da «, sagte Booper und zeigte dabei auf Myron, »hat noch nie was von Backgammon gehört. Die haben nicht mal eins.«
    Teddy warf einen kurzen, sachlichen Blick auf Myron. »Hör mal«, sagte er zu Booper. »Wo ist die Kamera? Papa will sie sofort wiederhaben.«
    »Der wohnt auch gar nicht in New York«, teilte Booper Teddy mit. »Und sein Vater ist tot. Er ist in Korea gefallen .« S ie wandte sich an Myron. »Stimmt doch, oder?«, fragte sie fordernd, ohne jedoch auf eine Antwort zu warten. »Und wenn jetzt noch seine Mutter stirbt, ist er eine Waise. Nicht einmal das hat er gewusst .«
    S ie sah Myron an. »Oder?«
    Myron verschränkte zurückhaltend die Arme.
    »Du bist der dümmste Mensch, der mir jemals begegnet i st«, sagte Booper zu ihm. »Du bist der dümmste Mensch auf diesem

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