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J.D.SALINGER Neun Erzählungen

Titel: J.D.SALINGER Neun Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Schlittschuhläuferin. Sofort stand sie wieder auf, ohne mich anzusehen. Das Gesicht noch gerötet, schob sie sich mit einer Hand die Haare zurück und machte sich wieder daran, das Bruchband an der Schaufensterpuppe zu verschnüren. Und genau da hatte ich dann meine Erfahrung. Plötzlich (und ich sage dies mit aller gebührenden Verlegenheit) ging die Sonne auf und schoss mit einer Geschwindigkeit von hundertneunundvierzig Millionen Sekundenkilometern auf meinen Nasenrücken zu. Geblendet und sehr verängstigt – musste ich die Hand an die Scheibe legen, um das Gleichgewicht zu halten. Die Sache dauerte nicht länger als ein paar Sekunden. Als ich wieder sehen konnte, war die Frau aus dem Fenster verschwunden und hatte ein schimmerndes Feld herrlicher, doppelt gesegneter Emailblumen zurückgelassen.
    Ich trat vom Fenster zurück und ging zweimal um den Block, bis meine Knie nicht mehr zitterten. Dann, ohne einen weiteren Blick in das Schaufenster zu wagen, ging ich zu meinem Zimmer hinauf und legte mich aufs Bett. Einige Minuten oder Stunden später machte ich, auf Französisch, den folgenden kurzen Eintrag in mein Tagebuch: »Ich gebe Schwester Irma die Freiheit, ihrer eigenen Bestimmung zu folgen. Jeder ist eine Nonne.« (Tout le monde est une nonne.)
    Bevor ich mich zur Nacht schlafen legte, schrieb ich Briefe an meine frisch relegierten Schüler und nahm sie wieder auf. Ich schrieb, in der Schulverwaltung sei ein Fehler passiert. Überhaupt schienen die Briefe sich von allein zu schreiben. Das mochte etwas damit zu tun gehabt haben, dass ich, bevor ich mich zum Schreiben hinsetzte, von unten einen Stuhl heraufgeholt hatte.
    Die Erwähnung scheint ein absoluter Antiklimax zu sein, aber keine Woche später schloss Les Amis Des Vieux Maîtres , weil die Schule unkorrekt angemeldet war (vielmehr weil sie überhaupt nicht angemeldet war). Ich packte meine Sachen und traf mich mit Bobby, meinem Stiefvater, in Rhode Island, wo ich die folgenden sechs oder acht Wochen verbrachte, bis die Kunstschule wieder aufmachte, und wo ich das interessanteste aller sommeraktiven Tiere erforschte, das amerikanische Mädchen in Shorts.
    Wie auch immer, mit Schwester Irma hatte ich nie wieder Kontakt.
    Allerdings höre ich gelegentlich noch von Bambi Kramer. Als Letztes habe ich von ihr gehört, dass sie dazu übergangen ist, ihre eigenen Weihnachtskarten zu entwerfen. Die werden sich sehen lassen können, wenn sie ihr Händchen nicht verloren hat.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    TEDDY
     
     
    » Ich mach dir gleich einen herrlichen Tag, Freundchen, wenn du nicht auf der Stelle von der Tasche runtergehst. Ganz im Ernst«, sagte Mr McArdle. Er sagte dies auf dem inneren Einzelbett – dem vom Bullauge weiter entfernten. Heftig und mehr mit einem Wimmern als einem Seufzer stieß er das obere Laken von den Knöcheln, als wäre plötzlich jede Bedeckung zu viel für seinen sonnenverbrannten, kraftlos wirkenden Körper. Er lag auf dem Rücken, nur in der Schlafanzughose, in der rechten Hand eine brennende Zigarette. Sein Kopf war gerade genügend abgestützt, um unbequem, beinahe masochistisch am unteren Ende des Kopfbretts zu ruhen. Kissen und Aschenbecher waren beide auf dem Fußboden, zwischen seinem und Mrs McArdles Bett. Ohne sich aufzurichten, streckte er den nackten, rot entzündeten rechten Arm aus und schnippte die Asche ungefähr in die Richtung des Nachttischs. »Oktober, Herrgott«, sagte er. »Wenn das Oktoberwetter ist, dann hätte ich gern August .« W ieder drehte er den Kopf nach rechts, zu Teddy hin, auf Streit aus. »Komm jetzt«, sagte er. »Was glaubst du denn, wozu ich rede? Wegen meiner Gesundheit? Geh doch bitte da runter .«
    Teddy stand auf dem breiten Teil einer neuen rindledernen Reisetasche, um besser aus dem offenen Bullauge seiner Eltern sehen zu können. Er trug äußerst schmutzige knöchelhohe Turnschuhe, keine Socken, Seersucker - Shorts, die ihm sowohl zu lang wie auch am Hosenboden e ine Nummer zu weit waren, ein verwaschenes T - Shirt, das an der rechten Schulter ein Loch von der Größe eines Zehncentstücks hatte, sowie einen unpassend hübschen schwarzen Krokogürtel. Er musste sich mal wieder die Haare schneiden lassen – besonders im Nacken – , und zwar dringend, wie es nur bei einem kleinen Jungen mit beinahe ausgewachsenem Kopf und schilfrohrdünnem Hals der Fall ist.
    »Teddy, hast du mich gehört?«
    Teddy lehnte sich nicht ganz so weit oder so gefährlich aus dem

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