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Je länger, je lieber - Roman

Je länger, je lieber - Roman

Titel: Je länger, je lieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Überraschung! Darf … darf ich dir meine Kollegin …«
    Mimi hob die Hand und zeigte René einen Vogel. Dann fuhr sie an. Wie wütend sie plötzlich war! So fühlte sich das also an, vom eigenen Mann betrogen zu werden. Sie hörte, wie er über ihr mit der flachen Hand aufs Dach schlug und irgendetwas rief. Es klang tatsächlich so wie: »Es ist nicht so, wie du denkst.« Dann schlug er noch mal aufs Dach. Was für eine armselige Geste. Mimi sah ihn im Rückspiegel mitten auf der Fahrbahn stehen. Wie mickrig er mit einem Mal in seinem maßgeschneiderten Anzug wirkte. Hilflos hob er die Arme und ließ sie wieder sinken.
    Sie atmete tief ein.
    So endete also eine Liebe. Ganz banal. Auf einer Haupteinkaufsstraße. In der klebrigen Nachmittagshitze. Zwischen Touristen. Im Stau. Ohne viel Worte. Seinen Smoking musste René sich nun selbst abholen. Nur blöd, dass der Abholschein noch in ihrem Portemonnaie steckte.

4

    Cadaqués, 1928
    Am späten Nachmittag legte Clara den Pinsel zur Seite. Die Sonne stand direkt über dem Haus auf den Felsen, als wollte sie es zum Schmelzen bringen. Seit dem merkwürdigen Zwischenfall am Morgen war es gespenstisch still. Daria war nach oben auf die Terrasse verschwunden, Gala war nicht mehr aus dem Schlafzimmer aufgetaucht. Nur Casado hatte kurz zu Clara hereingeschaut, doch ohne sie von seinem Platz zu verscheuchen. Als er sie mit den Ölfarben hatte herumhantieren sehen, hatte er nur gemurmelt. »Tu, was du nicht lassen kannst.« Dann war auch er wieder verschwunden.
    Draußen auf dem Hof kamen Schritte über den Kies. Clara stand von ihrem Schemel auf und trat an das große Fenster. Dort unten lief jemand im Schatten der Olivenbäume Richtung Hauseingang. Dunkles, gelocktes Haar. Helles Leinenhemd. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es war Jacques. Was machte er denn schon wieder hier? Erst vorgestern hatte er den Wein gebracht.
    Gleich darauf hörte Clara unten im Flur seine warme, volle Stimme, die von einem leicht französischen Akzent durchwoben war. Offenbar sprach er mit der Haushälterin Selena, die ihm geöffnet hatte. Dann war es still, bis es plötzlich hinter ihr an den Türrahmen klopfte.
    »Hola!« Jacques lehnte mit einem breiten Lächeln im Türrahmen, das seine hübschen Zähne zeigte. Die Ärmel seines Leinenhemdes hatte er bis über die Ellbogen hochgekrempelt. Sein welliges Haar rahmte sein gebräuntes Gesicht mit den Grübchen in den Wangen ein. »Wie geht’s?«
    Clara machte ein paar zögernde Schritte über den Kokosteppich. »Hola, Jacques. Was machst du hier?«
    Mit einem Ruck stieß er sich vom Türrahmen ab und trat ins helle Atelier. Seine grünen Augen waren direkt auf Clara gerichtet. »Ich wollte nach dir sehen.«
    Ihre farbverschmierten Finger waren mit einem Mal kalt. Obwohl sie alles daransetzte, ihre Stimme erwachsen klingen zu lassen, bekam sie nicht mehr als ein befangenes Flüstern hin. »Ich fahre morgen nach Hause. Weißt du das?«
    Jacques nickte. »Si. Darum bin ich hier.« Dann streifte er an ihr vorbei und warf einen langen, prüfenden Blick auf das Bild, das einen Engel mit teerschwarzem Haar vor lichtem Hintergrund zeigte. Anerkennend pfiff er durch die Zähne, als hätte Clara einen besonders großen Fisch gefangen. »Es hermoso …«
    »Es ist wunderschön«, flüsterte Clara. Ja. Es war ihr gut gelungen. Das Bildnis eines Engels. Obwohl Jacques aus einer Weinbauernfamilie kam, schien er doch ein gewisses Gespür für die Malerei zu besitzen. Das war Clara schon öfter aufgefallen. Ihn interessierten ihre Skizzen und Studien. Er besaß sogar schon eine Zeichnung, die sie von ihm oben unter den Olivenbäumen angefertigt hatte. Für einen Moment standen sie unschlüssig nebeneinander und beobachteten sich beim Atmen. Ratlos, was sie als Nächstes sagen sollten. Clara in ihrem Matrosenanzug, der an Armen und Beinen schon etwas zu kurz war. Jacques im Leinenhemd und weinfleckiger Leinenhose. Er duftete nach Sonne und Gras. Er duftete nach …
    Plötzlich hob er den Finger und verschwand mit einem »Un momento!« aus dem Atelier. Gleich darauf kehrte er mit einem groben Sack zurück. Damit kniete er sich vor Clara hin und bedeutete ihr, sich neben ihn zu setzen. Es war eigenartig, mit Jacques in Casados Atelier auf dem Kokosteppich zu kauern. Mit einem Mal waren sie sich näher als je zuvor im Schatten der Olivenbäume. Sie beobachtete seine Finger, die geschickt die Kordel öffneten, die um die Sacköffnung geschlungen war. Dann

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