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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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hatte. Das hatte sie früher schon genervt. Das sagte sie Jonas auch. Jonas hatte daraufhin erwidert, dass es aber eine gewisse Mentalität eben doch in jedem Land gebe, das könne sie doch nicht abstreiten.
    »Nein«, sagte sie. »Das nicht.« Und dann hatten sie überlegt, wie denn die Deutschen seien.
    »Ordentlich, strebsam, ehrlich und humorlos«, hatte Jonas gesagt.
    Julia lachte. »Ich finde nicht, dass du humorlos bist. Auch nicht ordentlich. Das ist doch auch nur ein Klischee. Alle Deutschen, die ich kenne, sind eher unordentlich, spontan, witzig und zielstrebig.«
    »Zielstrebig? – Nein«, hatte Jonas widersprochen.
    »Nur weil du kein konkretes Ziel vor Augen hast, heißt das noch lange nicht, dass die Deutschen nicht zielstrebig sind.«
    »Also ich kenne keinen, der so richtig ein Ziel vor Augen hat. Außer dich.«
    »Und meine Freundinnen. Charlotte zum Beispiel, sie will Physikerin werden. Und Helen Schauspielerin, wie ich.«
    »Ich jedenfalls habe kein klares Ziel vor Augen. Muss erst mal diverse Sachen ausprobieren und dann schauen.«
    »Und ich muss sehen, dass ich gleich nach dem Abi auf die Schauspielschule oder auf die Filmschauspielschule komme. Ich habe keine Zeit zu verlieren.«
    Beim Kaffeetrinken hatten sie sich fast ein bisschen gestritten, weil Julia ihm die ganze Zeit widersprochen hatte, und das ärgerte ihn. Und sie ärgerte es, dass er sich über das ärgerte, was sie sagte. Schließlich war von ihr nicht nur Zuspruch zu erwarten. Niemals würde sie ihm nach der Schnauze reden! Das wusste er doch und genau das liebte er so sehr. Jedenfalls hatte er ihr das oft genug gesagt.
    Andererseits machte es auch Spaß, ihn ein bisschen aus der Reserve zu locken. Er wurde nicht laut, musste sich aber doch anstrengen, die richtigen Worte zu finden, um ihr klarzumachen, was er meinte. Dabei war er nicht stur. Er beharrte nicht nur auf seiner Sicht. Er hörte ihr zu, ließ sie ausreden, war auch kein Besserwisser, wie Markus Schneider, mit dem Julia letztes Jahr für ein paar Monate zusammen war, oder Oliver Fischer, mit dem sie nur eine kleine Liaison hatte, weil er so süß war, sich dann jedoch als »Rammler« entpuppte. Daran möchte sie lieber nicht mehr denken!
    Mit Jonas hatte eben alles gestimmt. Von Anfang an.
    »Julia?« Kolja bleibt stehen.
    »Du denkst gerade an Jonas, nicht wahr?«
    Julia nickt. Kolja legt eine Hand auf ihre Wange. »Wenn du an ihn denkst, leuchtest du. Das sehe ich.« Er tupft ihr einen Kuss auf die Lippen, zeigt schräg hinter sie auf eine Hausfassade.
    »Da wohne ich, dritter Stock.«
    Julia schaut am Haus empor. Ein Altbau mit Balkonen und hohen Doppelfenstern.
    »Wollen wir raufgehen und einen Milchkaffee bei mir trinken oder möchtest du lieber in eine Bar?«

KAPITEL 15
    In der Wohnung
    Kolja wohnt also auch in Neukölln, keine drei Straßen von Jonas’ WG entfernt, im Reuterkiez, an der Nansenstraße, bei seinem Vater.
    »Sind deine Eltern getrennt?«, fragt Julia.
    »Ja«, sagt Kolja. »Meine Mutter habe ich schon ewig nicht mehr gesehen.«
    »Wohnt sie nicht in Berlin?«
    »Nein«, sagt er. Mehr nicht. Und sie mag auch nicht weiter fragen. Im Treppenhaus ist es kühl. Sie gehen in den dritten Stock. Kolja schließt die Wohnungstür auf.
    »Après vous!«, sagt er und macht eine einladende Bewegung. Es riecht nach Möbelpolitur und ein bisschen nach Orange. Die Holzdielen auf dem Flur knarren. Von dem Flur gehen sechs Türen ab. »Vier Zimmer, Küche, Bad«, sagt Kolja wie ein Makler und führt sie durch die Wohnung, er sagt, er sei kein WG-Typ, nie gewesen; er habe das Glück, dass seine Großeltern ihm und seinem Alten die Wohnung gekauft haben. »Schon vor fünf Jahren, für einen Appel und ein Ei, sozusagen. Und heute ist sie schon gut das Doppelte wert. Irre, oder? Wir haben alles selbst renoviert und umgestylt. Ich hab zwei Zimmer«, sagt er sehr stolz und öffnet eine Tür. »Das ist mein Arbeitszimmer.«
    Vor einem französischen Balkonfenster steht ein schmaler Glasschreibtisch, daneben ein Zeichentisch aus Holz, verstellbar. Gegenüber eine Anlage und ein Ledersofa. Auf dem Boden stapeln sich Blätter, Bücher und Architekturzeitschriften.
    »Das sieht ja wirklich aus wie ein richtiges Büro. Cool!«
    Kolja strahlt, zeigt ihr sein Schlafzimmer: halb offene Jalousie, in der Mitte ein riesiges Bett. Sonnenstrahlen fallen in Streifen auf das Bett. Seine beiden Räume sind also nach Süden ausgerichtet. Das wäre auch ideal für Jonas gewesen: ein

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