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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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vor wie ein Staubkörnchen, das durch die Luft schwebt und irgendwann mit anderen Staubkörnchen in einer Ecke liegen bleibt und weggesaugt wird. Mehr ist nicht zu erwarten.
    Doch.
    Kolja kommt gleich. Sie wollen wieder einen Ausflug machen, spazieren gehen – das tut ihr doch gut. Er ist immer da, wenn sie jemanden braucht, als würde er spüren, was sie braucht.
    Als er kommt, nimmt er sie auch gleich in den Arm, streicht ihr über den Rücken. Sie macht die Augen zu und spürt seine Hand, atmet auf. Sie fühlt die Wärme dieser Hand, den leichten Druck, mit der die Hand über ihren Rücken fährt, vielleicht einen Tick zu schnell, aber Entschleunigen kann man lernen. Nun sitzen sie im Auto, die Fenster sind offen, Haare fliegen ins Gesicht. Julia kneift die Augen zusammen.
    »Wo fahren wir hin?«
    »Wart’s ab.«
    Kolja hat sein Handy angeschlossen, sie hören Peter Fox. Kolja singt mit. »Ich häng ab, hab ’n Hammer-Tag / Ein paar Primaten und ein Fass Havanna Club / Ich pose, hab Stil vor der Kamera / Und verdien viel Banana, na na na.«
    Julia schaut aus dem Fenster. Sie hat andere Musik mit Jonas. Komisch, dass er ihr nie etwas aus diesem Album vorgespielt hatte. Sie steht nicht auf alle Songs von Peter Fox.
    »Das war unsere Musik«, sagt Kolja. Er hat eben auch gemeinsame Zeiten mit Jonas gehabt, schwelgt in Erinnerungen, genau wie sie. Rotes Fell, dicker Kopf, sehe aus wie’n junger Gott / Mütter schließen ab, Stuten fliehen im Galopp / Ich seh ne blonde Frau, klau sie vom Balkon /Und sie krault mich all night long.
    Plötzlich hört die Stadt auf und das Grüne fängt an. – Brachland und Felder. Sie fahren durch Pappel- und Kastanienalleen, über Hügel, durch Wälder. Sie sind in der Märkischen Schweiz. Die kennt Julia schon von Fontane. Im letzten Winter mussten sie ein paar Kapitel aus seinem fünfbändigen Werk Wanderung durch die Mark Brandenburg lesen. Als wenn es nicht was Moderneres gäbe, Tschick zum Beispiel, oder: Alles bestens .
    Jetzt sind sie in Buckow, am Schermützelsee, in einer einsamen Bucht, mit Schilf und Enten. Kolja hat eine Decke dabei und eine Flasche Sekt. Sie essen Tabulé mit Fladenbrot, rauchen im Liegen, schauen dem Rauch hinterher. Von der Badestelle auf der anderen Seite des Sees dringen Kinderstimmen. Eine kleine gelbe Raupe kriecht über Julias Arm. Es kitzelt. Die Sonne scheint. Sie pustet die Raupe weg.
    Kolja sagt: »Es ist nicht deine Schuld. Du kannst nichts dafür. Niemand kann etwas dafür. Es war ein Unfall.«
    Das hat die Psychologin auch gesagt: Man kann nichts rückgängig machen und denken, es wäre dann anders verlaufen. Das versteht Julia, aber aus Koljas Mund glaubt sie es sogar. Überhaupt hat Kolja einen schönen Mund. Volle Lippen. Und seine Hände sind schlank und schmal und zärtlich.
    Kolja fährt fort. Er sagt es ganz leise, ein Flüstern, fast wie ein Flügelschlag: »Hab keine Angst. Ich beschütze dich. Ich möchte, dass es dir gut geht – und dafür würde ich alles tun. Jonas war wie meine andere Hälfte.«
    … andere Hälfte … andere Hälfte … geht es Julia durch den Kopf und durch den Bauch. Kolja weiß also Bescheid. Ein Seelenpartner! Julia fühlt den Schnitt brennen, mitten durch sie hindurch. Natürlich ist Kolja nicht ihre andere Hälfte, er kann sie auch nicht ersetzen, aber er versteht sie, weiß, wie sie leidet. Sie spürt, er würde alles tun, um sie zu heilen.
    Er liegt neben ihr, auf der Seite, Kopf auf dem angewinkelten Arm, ihr zugewandt. Was für feine Gesichtszüge er hat, mit hohen Wangenknochen, dichten, dunklen Augenbrauen, eine von seinen blonden Strähnchen liegt auf seiner Schläfe. Er hat Tränen in den Augen und versteckt sie nicht. Wie schön er jetzt aussieht, so weich und verletzlich, genauso wie sie sich fühlt.
    Ein Sonnenschleier fällt durch die Bäume wie ein Heiligenschein; Julia atmet tief ein – endlich kommt die Stille an. Jonas ist da, ganz nah, sie spürt es genau. Kolja nimmt ihre Hand, küsst jede Fingerspitze einzeln, streichelt ihren Handrücken mit den Lippen. Sie hat Jonas’ Atem im Ohr, alles ist richtig und gut in diesem Moment, auch im nächsten, wo Koljas Lippen näher kommen.
    Sie hält die Luft an.
    Es ist, als läge Jonas hinter ihr.
    Kolja zögert, hält inne.
    Julia kommt ihm entgegen, schließt die Augen und bietet ihm ihren Mund an. Er beugt sich vor und berührt ihre Lippen mit seinen, tastet sich ganz leicht vor, als wolle er etwas kosten, sucht ihre

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