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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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Katze – keinen Schritt vor und keinen Schritt zurück.« Kolja sei losgerannt, um Hilfe zu holen, aber das sei gar nicht so einfach gewesen. Das nächste Haus im Wald war das Försterhaus und der Förster war nicht da, nur seine Frau, und die konnte die lange Leiter nicht tragen. Sie wollte schon die Feuerwehr holen, aber Kolja habe ihr versichern können, dass der Baum ja nicht brenne, sondern nur sein Freund nicht mehr runterkäme und vielleicht brauche es auch gar keine Leiter, sondern nur ein paar feste Worte. Die Försterfrau ist dann mit Kolja zu der riesigen Fichte gerannt und hat Jonas im Wipfel Anweisungen zugerufen: »Halte dich da fest! Mit beiden Händen, gut festhalten. Jetzt taste dich mit dem rechten Fuß nach einem Ast unter dir. Und jetzt such mit deiner rechten Hand den nächsten Ast zum Festhalten. – Schön festhalten! Ja, so ist es gut. Schön langsam, hörst du?«
    »Es dauerte ewig, bis Jonas wieder unten war. Er litt unter Höhenangst, das wusste er bis dahin noch nicht«, sagt Kolja. »Er war fix und fertig, als er es vom Baum herunter geschafft hatte.«
    Julia hat jeden Schritt von Jonas vor Augen, wie er sich langsam, Ast für Ast, wieder nach unten wagt. Sie rückt einen Schritt ab von Kolja, sie braucht ein bisschen mehr Platz, sie muss mal Luft holen. Kolja nimmt ihre Hand. Sie gehen Hand in Hand weiter. Julia mag Koljas Hand, sie hält sie fest.
    »Berge waren auch nichts für ihn«, fährt Kolja fort. »Er hat immer gesagt, die seien ihm zu aufdringlich. Man quäle sich hoch und gehe dann doch nur wieder runter. Darauf hatte er keinen Bock. Das war Jonas.«
    »Ja«, rief Julia. »Das hat er mir auch erzählt. Obwohl er gern mit dem Motorrad über Bergstraßen gefahren ist, wegen der schönen Kurven.«
    »Wir waren im Frühling für ein paar Tage in der Schweiz. Ich habe einen Onkel in Bern. Den haben wir besucht und jeden Tag Touren gemacht.«
    »Ach, dann warst du das, mit dem er in der Schweiz war?«
    »Ja.« Jonas hatte ihr nur erzählt, dass er im Frühling mit seinem Freund in der Schweiz war. Sie schaut Kolja an. »Komisch eigentlich, dass ich dich nie mit Jonas zusammen gesehen habe. Nur das eine Mal, im Schwimmbad, als …«
    »Er hatte ja für nichts anderes mehr Zeit. Für ihn gab es nur noch dich.«
    Schwang da etwa eine Spur Eifersucht in seiner Stimme mit? Das wäre nicht verwunderlich, schließlich hatte sie ihm den besten Freund weggenommen. Charly war ja auch auf Jonas eifersüchtig gewesen, auch wenn sie es nie zugeben würde, aber Julia hatte es doch gemerkt.
    Sie gingen über die Glogauer Brücke zum Maybachufer. Hier kam die Sonne nicht über die Häuser. Jonas hätte nie eine Wohnung auf einer Schattenseite haben können. Für ihn war eine helle Wohnung lebenswichtig, obwohl die WG ja auch nicht gerade besonders sonnendurchflutet war. Deswegen könne er auch nie in einem Bergtal leben, hatte er mal gesagt. Allein das Gefühl zu haben, die Sonne scheint, aber erreicht ihn höchstens für ein paar Stunden, würde ihn wahnsinnig machen.
    »New York käme dann wohl auch nicht infrage«, hatte sie gesagt. Sie konnte sich noch genau an das Gespräch erinnern, es war kurz vor dem Unfall gewesen, auf dem Weg in seine WG, gleich hier, um die Ecke.
    »In New York war ich noch nie, aber da möchte ich unbedingt mal hin. Mit dir.« Er küsste sie. »Mit dir will ich überallhin! Sogar in die Schweiz, weil man da super Motorrad fahren kann. Ansonsten ist die Schweiz überhaupt nicht mein Ding.«
    »Wieso?«
    »Zu sauber, zu organisiert. Alles ist geregelt und jeder hält sich dran. Kein Spielraum zum Ausscheren. Selbst der Rasen sieht unecht aus. Und die Leute sind scheißfreundlich, nonstop, aber sie reden nur in Floskeln, alles Blablabla, wie bei den Amis. Die fragen dich ja auch andauernd: How are you today? , obwohl sie gar nicht wissen wollen, wie es dir geht. Aber die Amis haben mehr zu bieten als die Schweizer, die sind irgendwie schrulliger, authentischer, nicht so perfekt und kleinkariert.«
    Sie hatten dann in einem türkischen Laden an der Pannierstraße Milch und Kekse gekauft. Sie wollten schön Kaffee trinken, mit aufgeschäumter Milch. – Jonas’ Hand in ihrer Hand – in der anderen trug er die Milch, sie die Kekse. So schlenderten sie über den Bürgersteig. Julia mochte es eigentlich nicht, wenn man eine Nation so pauschal über einen Kamm scherte. Das erinnerte sie an ihre Oma Iris, die immer von »dem« Engländer oder von »dem« Russen geredet

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