Je mehr ich dir gebe (German Edition)
sonnendurchflutetes Zimmer. In seiner WG wanderte die Sonne nur am Nachmittag durch die Räume.
»Echt schön hier«, sagt Julia. Sie bleibt am Türrahmen stehen, geht nicht ins Schlafzimmer. Seit einer guten Woche küssen sie sich nun schon. Das tut gut, tröstet ungemein, aber mehr will sie nicht. Kolja drängt sie auch nicht. Er ist eh so rücksichtsvoll und feinfühlig. Jetzt zeigt er ihr noch kurz das Schlafzimmer von seinem Vater und das Wohnzimmer. Viel Glas, Metall und schwarzes Leder.
»Wollen wir in die Küche gehen?« Er nimmt ihre Hand. Sie gehen durch den Flur in die kleine Küche. Vor dem Fenster steht ein schwerer Holztisch mit Stühlen. Die Wand neben dem Küchenschrank ist voller Filmplakate. Alles sieht noch so neu aus, als wären sie erst gestern hier eingezogen.
»Das Gute ist, dass mein Alter drei Tage die Woche in Kottbus ist, beruflich. Er ist Jurist bei einer Versicherung und die ist letzten Winter nach Kottbus umgezogen. So hab ich die Bude meistens ganz für mich allein. – Setz dich doch.« Er schiebt ihr einen Stuhl zurecht, sie setzt sich mit dem Rücken zur Wand. Kolja öffnet den Kühlschrank. Er ist voll bis obenhin – in Jonas’ WG-Kühlschrank gab es meistens nur Milch und Bier und ein paar verschrumpelte Zitronen. Kolja kocht Kaffee, aus der gleichen spanischen Espressokanne, wie Jonas sie hatte. Julia schaut auf die Filmplakate, erkennt Sharon Stone, Keira Knightly, Noomi Rapace, Cameron Diaz, und es ist auch ein ganz tolles von Megan Fox dabei, aus dem Film New York für Anfänger .
»Wo hast du die Plakate her?«
»Ein Kumpel von mir arbeitet in einem kleinen Kino in Pankow.«
»Hatte dein Kumpel keine Poster von männlichen Schauspielern?«
Kolja lacht. »Doch, aber die wollte ich nicht. Wenn man in einem reinen Männerhaushalt wohnt, muss man sich ja nicht noch Männer in die Küche hängen, oder?«
Die Kaffeekanne blubbert. Jetzt vermischt sich das Wasser mit dem Pulver in der Mitte und steigt nach oben in die Kanne, denkt Julia. Sie denkt in letzter Zeit öfter solche Sachen, wie etwas funktioniert. Und wer sich das wohl alles ausgedacht hat. Und wie viele Menschen schon vor ihr gelebt haben. Und dass sie auch nur ein kleiner Zahn im Getriebe des Ganzen ist. Und Sharon Stone ist auch nicht mehr als das, da kann sie sich noch so oft die Lippen aufspritzen lassen. Hätte sie gar nicht nötig, so taff wie die ist! Sie habe sich nicht mehr geliebt gefühlt, hat Julia irgendwo gelesen. Vielleicht sollte sie die ganze Schauspielerei an den Nagel hängen, denkt sie manchmal. Sie hat doch eh keine Chance. Es schaffen nur ganz wenige und das sind nicht unbedingt die besten. Sie schaut auf das Plakat von Bad teacher – den hat sie damals mit Charly gesehen, was für ein Scheißfilm! Aber mit so was kann man viel Geld verdienen. Cameron Diaz ist eine der teuersten Schauspielerinnen aus Hollywood und verdient 50 Millionen Dollar pro Jahr. Das muss man sich mal vorstellen!
»Sind das deine Lieblingsschauspielerinnen?«
»Nicht nur. – Und deine?«
Julia zuckt mit den Schultern. Sie hat jetzt keine Lust, darüber zu reden. Schon gar nicht über Cameron Diaz.
»Ich hoffe, sie gefallen dir«, sagt Kolja.
»Sie müssen ja dir gefallen. Sie hängen in eurer Küche. Findet dein Vater sie auch cool?«
»Keine Ahnung. Wieso?«
»Na, ich könnte nicht einfach unsere Küche vollpinnen.«
»Och, meinem Alten ist das egal. Wie gesagt, der ist eh selten da. Und wenn, dann will er seine Ruhe haben.« Kolja gießt Milch in einen Topf, sagt, er kenne sich mit der Schauspielkunst nicht aus. Sein Traum seien schon immer Baumhäuser gewesen.
»Ja, cool«, sagt Julia. »Das hast du schon mal erwähnt. Erzähl mal.« Kolja deutet auf ein Buch, das unter der Zitty auf dem Tisch liegt. Sie blättert in dem Bildband herum, staunt. »Ich dachte immer, Baumhäuser wären nur was für kleine Kinder.«
»Eben nicht.« Kolja tippt auf ein Foto. »Guck mal, das hier ist aus Zedernholz mit verschiebbaren Wänden. Ist das nicht geil! – Oder das hier, in schwindelnder Höhe auf einer Tanne. Alles ist möglich! Ich bin so froh, dass ich einen Studienplatz ergattert habe, an der Humboldt-Uni. Ich kann gar nicht abwarten, endlich meine Baumhäuser zu bauen.«
»Das wird wohl noch ein bisschen dauern«, sagt Julia. Ein Zeitungsartikel fällt aus dem Buch. »Über allen Wipfeln bist du«, liest sie und faltet ihn auseinander. In Schweden gibt es sogar ein Treehotel – ein Beton-Quader, von
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