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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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seine Anwesenheit, aber sie sieht ihn nicht.
    Sie trinken ihren Kaffee, Kolja schaut sie nach jedem Schluck an, dann zum Fenster. Hat er den Luftzug auch bemerkt?
    »Bist du eigentlich immer noch … in mich verknallt, Kolja?«
    »Nein«, sagt er sofort. »Du gehörst ja zu Jonas.«
    In Julia wird es unruhig, als müsse sie aufspringen und wegrennen. Sie nestelt in ihrer Tasche herum, zieht Zigaretten heraus.
    »Darf man bei dir in der Küche rauchen?«
    »In der Küche, im Schlafzimmer, überall …«
    Julia fischt sich eine Zigarette aus der Schachtel. Ihre Finger zittern, aber von innen, das kann keiner sehen, nur Jonas. Er steht hinter ihr und schaut ihr zu. Ja, sie kann seinen Blick auf ihren Fingern fühlen. Sie findet ihr Feuerzeug nicht. Kolja entzündet ein Streichholz und gibt ihr Feuer. Dann klingelt ein Telefon. Er geht aus der Küche.
    Jonas legt beide Hände auf ihre Schultern. Julia schließt die Augen, schmiegt sich in Jonas’ Berührung, setzt sich aufrecht, damit seine Hände nicht von ihren Schultern fallen, aber sie schmelzen einfach weg. Sie reißt die Augen auf, dreht sich um – niemand hinter ihr, nur die Wand, ein Küchenschrank –, sie lässt den Blick über den Herd schweifen, zurück zum Tisch. Das Herz schlägt ihr bis zum Hals. Alles steht noch genauso da: zwei Gläser, ein Zuckerschälchen, eine Tüte Milch, leere Stühle. Sie springt auf und schiebt einen Stuhl zurecht – für Jonas. Dorthin hätte er sich bestimmt gesetzt – oder auf ihren? Sie macht ihm Platz, komm, setz dich! Sie hört Koljas Stimme im Nebenraum. Er telefoniert mit seinem Vater. Dann spürt sie es wieder, diesen Luftzug, wie vorhin. Es wird warm im Rücken, als würde sie von der Sonne beschienen, aber das Fenster ist ja vor ihr, nicht hinter ihr. Sie kann sich nicht rühren, spürt es im Nacken kitzeln, als puste jemand auf ihre feinen Härchen. »Jonas!«, sagt sie. In dem Moment knallt die Küchentür zu. Julia schreit auf.
    Kolja kommt in die Küche gehechtet. »Sorry«, sagt er. »Die blöde Tür knallt immer zu. Im Wohnzimmer ist das Fenster auf. Hast du dich so erschrocken?«
    Julia geht um den Tisch. »Ist schon okay.« Sie hat Brausepulver in den Adern, alles kribbelt, kräuselt sich.
    »Ich muss jetzt nach Hause«, sagt sie. »Ich muss noch …« Ihr fällt nichts ein.
    »Soll ich dich fahren?«
    »Nein, danke. Ich muss eh noch was besorgen.« Sie kann jetzt auf keinen Fall in ein Auto steigen.
    Kolja bringt sie zur Tür, hat eine Hand auf ihrer Schulter, streichelt über ihren Rücken, nimmt sie zum Abschied in den Arm.
    »Sehen wir uns morgen?«, fragt er leise und küsst sie auf den Mund.
    »Ja«, sagt sie. Ihr Mund kribbelt. »Aber lass uns noch telefonieren.«
    Kolja hält ihr die Tür auf. Sie geht die Treppen runter. Es ist, als überholten sie ihre eigenen Schritte.
    Draußen bleibt sie stehen. Erst mal verschnaufen. Sie schaut nach oben. Das Wohnzimmerfenster ist geschlossen. Alle Fenster im dritten Stock sind geschlossen.
    Wie sie nach Hause gekommen ist, weiß sie nicht mehr. Ihre Füße sind einfach gegangen. Jetzt sitzt sie am Schreibtisch und googelt alles Mögliche über Verstorbene, bleibt auf einer Seite hängen, die über Nach-Tod-Erfahrungen spricht. Dort steht schwarz auf weiß, was sie vorhin selbst gespürt hat: Jonas war bei ihr, kein Zweifel! – Nach-Tod-Kontakte ereignen sich in der Regel plötzlich, aus keinem erkennbaren Grund oder Anlass. Es sind spontane Augenblicke spiritueller Vereinigung, die uns mit Freude erfüllen und ein inneres Wissen vermitteln, welches ein Leben lang anhalten kann.
    Körperliche Berührungen zwischen Verstorbenen und Lebenden sind eher selten. Sie finden nur zwischen Menschen statt, die eine sehr enge Beziehung zueinander hatten.
    Jonas hat sie berührt, erst am Arm und hat dann seine Hände auf ihre Schultern gelegt. Sie kann es immer noch fühlen. – Und der Abschiedskuss auf den Mund war auch von ihm.

KAPITEL 16
    Es geht bergauf
    Julia rennt. Es geht bergauf. Sie hat keine Puste mehr, aber sie muss weiterlaufen, stolpert, stürzt, fällt aber nicht, arbeitet sich hinauf – ihre Lungen brennen, als hätte man ihr zwei Bügeleisen auf die Brust gedrückt. Dann sieht sie ihn: Jonas. Seine blonden Haare flattern ihm ins Gesicht. Er freut sich, dass sie es geschafft hat, hält die Arme offen, sie springt hinein, sie fallen beide um, fallen aber nicht in die Tiefe. Sie schweben. – Als lägen sie auf dem Bett, nachdem sie sich geliebt

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