Je mehr ich dir gebe (German Edition)
nackte Füße – Jonas’ Füße. Sie reißt die Tür auf und haut dem Jungen in der Kabine die Tür voll in die Seite. Er steht da in enger, schmaler Unterhose und hat Augen und Mund weit offen. Es ist nicht Jonas. Der Junge sieht Jonas nicht mal ähnlich!
»Ent…schuldigung!«, stammelt Julia und geht rückwärts raus. Die anderen beiden Kabinen öffnen sich und die Männer in den Socken gucken sie an. Einer zieht eine Augenbraue hoch.
»Na, das nenn ich doch mal offensiv!«, sagt er und grinst.
»Wer wagt, gewinnt«, sagt der andere und grinst auch.
»Entschuldigung!«, sagt Julia noch mal und läuft aus dem Laden.
Es ist gleißend hell auf dem Ku’damm und voll. Sie wird mitgezogen im Treibsand des Gedrängels. Bevor sie versinkt, packt jemand sie am Arm. Charly.
»Julia! Was ist denn los?«
Sie hätte schwören können, dass es Jonas war! Wie konnte das passieren?
Charly redet den ganzen Weg auf sie ein, dass sie sich nicht so in diesen Vorfall reinsteigern soll, es komme schließlich öfter vor, dass man mal jemanden verwechselt.
»Aber es war Jonas! Mensch!«
»Nein, war er nicht! Hast du doch gesehen! Das war nur eine optische Täuschung.«
»Ach, halt doch die Klappe! Jonas ist keine optische Täuschung. Ich weiß, er ist da, auch jetzt, das spüre ich doch, er ist hier irgendwo, ganz nah bei mir.« Sie spürt es wirklich. Julia reißt den Arm weg. Autos rauschen vorbei. Es ist Rot, dann wird es Gelb, bei Grün gehen alle los. Die Autos halten. Das Leben ist geregelt, hat einen Sinn. Jeder weiß, warum er hier, auf dem Ku’damm ist. Julia weiß es auch: weil sie Jonas wiedergetroffen hat – das war doch kein Zufall! Er schwirrt hier irgendwo herum, wie der Schutzengel Damian in seiner Schwarz-Weiß-Welt.
Charly sieht völlig fertig aus. »Du brauchst professionelle Hilfe. Echt jetzt mal. Das geht so nicht weiter!«
»Ach prima«, schreit Julia sie an. »Jetzt denkt meine beste Freundin schon, ich hab einen an der Klatsche!« Julia dreht sich um und rennt weg.
Charly ruft ihr noch hinterher, aber Julia verschwindet in der Rankestraße, geht Richtung Wittenbergplatz, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Am Abend sagt sie Kolja ab. Sie sei müde, es gehe ihr nicht so gut. Sie wolle sich einen ruhigen Abend machen, früh ins Bett gehen. Kolja versucht, sie zu überreden, bietet ihr an, sie abzuholen. »Ich werde dich verwöhnen. Dir Badewasser einlassen, dich massieren …« Seine Stimme ist weich wie Schaum. Er sei schon unterwegs zu ihr. Kaum ist das Gespräch zu Ende, klingelt es an der Haustür, er steht vor ihr und küsst sie zur Begrüßung. »Hallo, meine Süße!«
Sie nimmt ihre Tasche mit, auch eine Jacke, weil Kolja sagt, es sei frisch geworden. »Wir gehen noch ein bisschen raus«, hört sie sich zur Mutter sagen.
Sie sitzt im Auto. Der Himmel ist orange. Die Luft kühlt ihre Lippen. Kolja legt eine Hand auf ihr Bein, streicht ganz langsam aufwärts. Julia hält die Luft an.
In seiner Wohnung zieht er sie aus, entblättert sie, bremst jede ihrer Bewegungen mit einem Kuss. Sie soll sich nicht rühren, sich entspannen – an Jonas denken. Julia lehnt sich an die Wand, öffnet die Beine, fühlt die kalte Wand im Rücken und seinen Atem an ihr. Kolja kniet vor ihr. Finger kommen hinzu, Blicke. Ihre Beine werden schwach, sie rutscht an der Wand hinunter, wie ein Klecks Farbe. Jetzt, in der Hocke, ist sie nur noch Mund, warm, offen, und Jonas schaut zu.
Irgendwann trägt er sie aufs Bett, irgendwann liegt sie da, ausgestreckt und leckt sich Salz aus den Mundwinkeln.
»Du bist wunderschön«, flüstert Kolja. »So überirdisch schön und sexy!«
Sie fühlt seinen Kopf auf ihrem Bauch, krault durch seine blonden Haare.
Gegen Mitternacht bringt Kolja sie nach Hause, sie huscht an ihren Eltern vorbei, die noch auf dem Sofa liegen und gerade einen Beitrag über DDT schauen, ein Insektizid, das die Industrieländer nach dem Zweiten Weltkrieg gegen Mücken und Läuse versprüht haben, ohne zu wissen, wie schädlich es für die Umwelt ist, und das nun im Königreich Swasiland die Malaria ausrotten soll. Sie gucken immer Sendungen, bei denen man noch was lernt.
»Hattest du einen schönen Abend?«, murmelt Mama von der Sofaecke aus.
»Ja«, sagt Julia. Ihre Stimme ist noch ganz erschöpft. Sie räuspert sich.
Papa guckt auf die Uhr und sagt gar nichts. Er mag es nicht, wenn sie unter der Woche nach Mitternacht nach Hause kommt.
»Gute Nacht«, sagt sie und verschwindet so schnell wie
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