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Je mehr Löcher, desto weniger Käse

Je mehr Löcher, desto weniger Käse

Titel: Je mehr Löcher, desto weniger Käse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Dambeck
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natürlichen Zahlen beispielsweise bilden gleichermaßen Spielbrett und Spielregeln. Diese Ur-Annahmen – Null ist eine natürliche Zahl, jede natürliche Zahl hat einen Nachfolger und so weiter – legen den Raum fest, in dem ich spiele. Hinzu kommen noch ein paar Festlegungen und Definitionen – beispielsweise darüber, was unter einem Produkt und einem Teiler zu verstehen ist.
    Wer dann mit den so festgelegten natürlichen Zahlen spielt, kann spannende Entdeckungen machen. Manche Zahlen lassen sich durch zwei teilen – wir nennen sie gerade, bei den ungeraden Zahlen funktioniert das Halbieren nicht. Es gibt Zahlen, die allein durch sich selbst und durch eins teilbar sind (Primzahlen). Wenn ich wissen will, ob eine Zahl durch drei teilbar ist, dann brauche ich nur zu schauen, ob ihre Quersumme durch drei teilbar ist. Dass dies stimmt, lässt sich beweisen.
    Jede Aussage, die ich beweise, kann ich bei weiteren Untersuchungen nutzen. So entsteht aus den wenigen Axiomen der natürlichen Zahlen letztendlich die Zahlentheorie – ein Spezialgebiet der Mathematik, das im Detail sicher noch komplizierter ist als das Go-Spiel.
    Ein Beispiel für ein anspruchsvolles Problem mit natürlichen Zahlen ist die Fermat’sche Vermutung. Sie besagt, dass die Gleichung
    a n   +   b n   =   c n
    für natürliche Zahlen a, b, c, n mit n   >   2 und a, b, c   >   0 keine Lösung besitzt. Pierre de Fermat (1601–1665) stellte die Vermutung vor fast 400 Jahren auf, der äußerst aufwendige Beweis gelang Andrew Wiles und Richard Taylor jedoch erst 1995! Seitdem heißt die Vermutung Großer Fermat’scher Satz.
    Mathematik findet jedoch nicht nur allein im Kopf von uns Menschen statt, sie ist, so glauben viele Mathematiker, im wahrsten Sinne des Wortes universell: Der Bewohner einer fernen Galaxie, der womöglich ein ganz anderes Zahlensystem verwendet als wir Menschen auf der Erde, würde die gleichen Entdeckungen machen, falls er als Ausgangspunkt dieselben Axiome für natürliche Zahlen benutzte. Auch für ihn gibt es gerade und ungerade Zahlen, auch er könnte die Fermatsche Vermutung formulieren und als Großen Fermatschen Satz beweisen.
    Im Grunde kommt die gesamte Mathematik also ohne Wirklichkeit oder Praxisbezug aus, sie ist eine Spielerei mit Gedanken. In dieser sogenannten reinen Mathematik fragt erst einmal niemand nach einem Nutzen oder nach einem Zweck, es geht vielmehr darum, ob ein Problem interessant ist und wichtig für das gesamte Theoriegefüge.
    Ich selbst bin übrigens auch ein Anhänger der Mathematik, die nicht so sehr nach Anwendungen schielt. Wenn man das Fach vor allem als kreative Tätigkeit interpretiert, dann wird der praktische Nutzen zweitrangig. Genau wie in der Musik oder in der Malerei. Warum spielen Menschen eigentlich ein Instrument? Weil man damit Geld verdienen kann? Weil ihre Eltern sie gezwungen haben? Weil man bei Auftritten viel Beifall bekommt? Oder aus Leidenschaft, aus einem inneren Drang heraus, aus Begeisterung?
    Der Vergleich mit der Musik verdeutlicht aber zugleich, dass Mathematik ebenso wie die Kunst kein Selbstzweck ist. Natürlich empfindet ein Bildhauer Erfüllung beim Bearbeitendes Steins. Aber zugleich denkt er dabei auch immer mal wieder an die Brötchen, die er mit seiner Arbeit verdienen muss.
    Und obwohl Mathematik vollkommen abstrakt ist, ist sie zugleich enorm praktisch. Sie hilft uns, Sternenbahnen zu verstehen und Ereignisse in der Natur vorherzusagen – sie macht Modelle für Elementarteilchen erst möglich. Laut Galileo Galilei (1564–1642) steckt Mathematik in allem, was uns umgibt: »Das Buch der Natur ist mit mathematischen Symbolen geschrieben. Genauer: Die Natur spricht die Sprache der Mathematik: die Buchstaben dieser Sprache sind Dreiecke, Kreise und andere mathematische Figuren.«
Die Lehre von den Mustern
    Der größte Physiker des 20. Jahrhunderts, Albert Einstein, ging noch einen Schritt weiter, als er sagte: »Nach unserer bisherigen Erfahrung sind wir zum Vertrauen berechtigt, dass die Natur die Realisierung des mathematisch denkbar Einfachsten ist.«
    Dass sowohl Galilei als auch Einstein die Mathematik zur Sprache der Natur erklärt haben, hängt natürlich eng mit dem Wesen der Mathematik zusammen. Bei allem, was Mathematiker tun, geht es um das Erkennen, Analysieren und Verstehen von Mustern. Und die uns umgebende Welt ist voller Muster: Der Regenbogen, die Sternenbahnen, Schneeflocken, Tigerfell, die Mondphasen – überall geschehen Dinge,

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