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Je sueßer das Leben

Je sueßer das Leben

Titel: Je sueßer das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darien Gee
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ihr etwas zu sagen.
    Sie räuspert sich. »Du siehst gut aus«, sagt sie. Livvy hat schon immer ein Gespür für Mode gehabt und gewusst, welche Kleidungsstücke gut zusammenpassen. Sie trägt eine eng anliegende hellblaue Bluse, eine lange Hose und Schuhe mit Absätzen, dazu einen breiten Armreif. Livvy sieht professionell aus, erwachsener, wie Mark gesagt hat. Ihre normalerweise welligen Haare fallen ihr glatt über die Schultern. Julia betrachtet ihre Schwester, die nur ein paar Schritte entfernt von ihr steht, und unterdrückt den Wunsch, näher heranzutreten, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken.
    »Danke. Du aber auch.« Livvy blickt nicht auf. »Du hast deine Haare geschnitten.«
    Julia greift sich in die Haare – sie hat sich immer noch nicht ganz daran gewöhnt. »Ja, das war eine spontane Entscheidung.«
    »Steht dir.« Livvy setzt sich hinter ihren Schreibtisch und schiebt ein paar Unterlagen hin und her. Sie ist durcheinander und vermeidet es, ihrer Schwester in die Augen zu blicken.
    Julia bleibt stehen. Jetzt wünschte sie, sie hätte ihren Auftritt besser geplant. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass ihre erste Begegnung von einem Gefühlsausbruch begleitet werden würde, oder gleich mehreren. Anschuldigungen. Entschuldigungen. Weiteren Anschuldigungen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es ganz anders kommen könnte, wärmer und weicher, begleitet von einer Sehnsucht, die sie beinahe zum Weinen bringt, beinahe dazu bringt, Livvy in die Arme zu nehmen.
    Livvys Augen sehen überall hin, nur nicht zu Julia, sie fühlt sich offensichtlich unbehaglich. Julia fällt nichts anderes ein, deshalb sagt sie schlicht: »Danke, dass du letzte Woche auf Gracie aufgepasst hast. Sie hatte einen Riesenspaß.«
    »Ja. Ich wusste nicht, ob du im Bilde bist. Ich habe nur … Mark saß wohl in der Patsche und da …«
    »Nein, das hat prima geklappt. Danke.« Überrascht stellt Julia fest, dass es gar nicht so schwer ist, wie sie dachte, ihr Ärger verfliegt so schnell, dass es fast enttäuschend ist. »Klar, zuerst war ich verwundert …«
    »Julia, warum bist du hierhergekommen?« Livvy sieht sie mit festem Blick an. Wachsam.
    Julia räuspert sich und schiebt den Schulterriemen ihrer Tasche zurecht. »Na ja, der Artikel, der da heute Morgen erschienen ist …«
    »Damit habe ich nichts zu tun«, sagt Livvy. Sie fühlt sich offenbar angegriffen – ihre Stimme klingt scharf und hart, was Julia gar nicht von ihr kennt. »Ich habe bei den Recherchen geholfen, aber ich hatte keine Ahnung, dass Edie mit dir gesprochen hat. Ich bin in der Anzeigenabteilung, nicht in der Redaktion.« Was Livvy sagen will, ist klar: Ich habe keine Schuld.
    Plötzlich fühlt sich Julia erschöpft. Das liegt auch an ihrer Tasche, die wieder mal mit weiß Gott was vollgestopft ist. Immerzu steckt sie Sachen hinein und vergisst dann, sie wieder herauszunehmen. Das Ding muss eine Tonne wiegen. Sie lässt sie auf den zweiten Stuhl fallen und hockt sich erleichtert auf die Armlehne. »Ich weiß. So schlimm finde ich ihn auch gar nicht, auch wenn ich mir wünschte, dass sie mich nicht namentlich genannt hätte.«
    »Ich gebe dir vollkommen recht. Ich habe mich deswegen auch schon mit Edie gestritten.«
    »Ach ja?« Das hätte Julia nicht erwartet, und doch ist sie nicht überrascht. Sie lächelt schwach.
    Livvy nickt und senkt wieder die Augen. »Das war gemein. Aber Edie ist eben Journalistin und schreibt entsprechend. Zumindest bringt sie das als Entschuldigung vor.« Sie zupft etwas von der Tastatur, die Stirn in Falten gelegt, die Augenbrauen zusammengezogen.
    Einen kurzen Moment lang hat Julia das Gefühl, ihren Körper zu verlassen und sich dabei zuzusehen, wie sie ein Gespräch mit Livvy zu führen versucht, das schmerzhaft und verkrampft ist. Livvy scheint sich nicht im Geringsten für Julia zu interessieren, was Julia nicht erwartet, nicht einmal für möglich gehalten hätte. Auf einmal ist alles umgekehrt und Julia diejenige, die sich nach der Schwester sehnt, auf ein Wort der Vergebung hofft. All die Wut und der Zorn, die Julia über die Jahre genährt hat, haben zu einem gewissen Unmut bei Livvy geführt, brüchig und kühl wie neues Eis auf einem Teich. Julia weiß nicht, was sie sagen soll, und sie hat Angst, sich zu bewegen, weil der Boden unter ihr einbrechen könnte.
    Livvy betrachtet ihre Schwester mit einigem Misstrauen. Fünf Jahre lang hat sie alles getan, um ihr aus dem Weg zu gehen, und die Mauer respektiert, die sie

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