Je sueßer das Leben
gewinnt.
Livvy schüttelt nur den Kopf und sieht dabei so traurig aus, dass Edie einen Anflug von schlechtem Gewissen verspürt. Das alles wäre längst nicht so schlimm, wenn Julia Evarts nicht Livvys Schwester wäre, aber daran lässt sich ja wohl nichts ändern. »Hör mal, Livvy, ich weiß, wir dachten, dass es etwas mit dieser Madeline vom Teesalon zu tun hat, aber sie hat den Teig nun mal von Julia bekommen. Und dass Julia ihn wiederum von jemand anderem bekommen hat, wie sie behauptet, ließ sich bislang nicht verifizieren. Wird es wohl auch nicht mehr.«
»Meine Schwester hat genug durchgemacht, Edie! Es muss nicht sein, dass alle Leute mit dem Finger auf sie zeigen. In der Bank haben sie darüber geredet, dass sie den ganzen überflüssigen Teig verbacken müsste …«
Edie hat das auch schon gehört, es allerdings amüsant gefunden. »Ach komm, Livvy. Das meinen die Leute doch nicht böse.«
»Das ist mir schnurzpiepegal!« Livvys Gesicht ist zornesrot. »Warum hast du nicht nach demjenigen geforscht, der ihr den Teig gegeben hat und …«
»Das kann ich nicht, Livvy, weil ich nicht glaube, dass es diesen Menschen gibt«, sagt Edie sanft.
Livvy starrt sie an. »Was soll das heißen?«
Edie atmet tief aus. Das hatte sie Livvy eigentlich nicht sagen wollen, aber jetzt ist es zu spät. »Außer Julia hat in der Woche damals keiner einen Teig bekommen. Findest du das nicht ein wenig seltsam? Du hast ein Rezept für den Teig im Internet gefunden. Die Überlegung, dass sie die ganze Sache selbst in Gang gesetzt hat, ist doch nicht völlig an den Haaren herbeigezogen.«
»So etwas würde Julia nie tun. Warum sollte sie?«
»Keine Ahnung. Vielleicht will sie Aufmerksamkeit? Denk doch mal nach. Du machst den Teigansatz, verteilst ihn unter ein paar Freunden, vielleicht unter Leuten, mit denen du gerne in Kontakt kämst, Neulingen in der Stadt, die nicht wissen, was vor fünf Jahren passiert ist. Damit könnte sie erneut Mitleid wecken …«
Livvy erbleicht. »Du meinst, sie hätte damit angefangen, um Mitleid einzuheimsen? Wegen Josh?«
»Ich sage nur, dass Menschen die merkwürdigsten Gründe für ihr Tun haben. Komm schon, Livvy. Ihr habt seit Jahren nicht miteinander gesprochen! Sie lebt total zurückgezogen. Meinst du wirklich, dass sie damit angefangen hat, weil sie nett zu ihren Nachbarn sein wollte?« Edie greift in ihre Schublade und zieht eine Tüte hervor. »Ein paar Chips?«
Livvy schiebt die Tüte beiseite. »Josh war mein Neffe, Edie. Er war bei mir, als er starb.« Ihre Stimme zittert.
Edie sieht sie mit ruhigem Blick an. »Ich weiß.«
Livvy zuckt zusammen, aber sie fragt nicht, woher Edie die Geschichte kennt. Sie reckt ihr Kinn in die Höhe. »Also, wenn du das schon weißt, kann ich ja wohl ein wenig mehr Verständnis für mich und meine Familie von dir erwarten. Ich dachte, du bist meine Freundin!«
»Ich bin deine Freundin, und es ist doch nur ein Zeitungsartikel, Livvy – nichts, was du persönlich nehmen müsstest.«
»Aber ich nehme es persönlich, Edie! Du hast doch keine Ahnung, wie es ist, wenn der eine Mensch auf der Welt, der dich wirklich kennt, nicht mehr mit dir reden will! Wie würde es dir denn gehen, wenn Richard das tun würde? Wenn er plötzlich so tun würde, als würde er dich nicht kennen, als hättest du aufgehört zu existieren?«
Edie schluckt. Es tut ihr leid, dass Livvy sich so aufregt, aber sie will sich auch nicht in die Ecke drängen lassen. Sie sieht Livvy an, die mit geröteten Wangen vor ihr steht und die Fäuste ballt. »Warum hast du mir nie davon erzählt, Livvy?«, fragt sie leise.
Livvy schüttelt den Kopf und wendet den Blick ab. »Was hätte ich denn sagen sollen?«, murmelt sie.
Edie spürt, wie sich ein schweres Gewicht auf ihre Brust senkt. Livvy hat sich ihr gegenüber sehr freundschaftlich verhalten, freundschaftlicher, als Edie es erwartet oder vielleicht auch verdient hat. Vielleicht hätte sie sich die ganze Sache länger durch den Kopf gehen lassen, andere Möglichkeiten in Betracht ziehen sollen. Aber dafür ist es zu spät.
»Julia will einfach in Ruhe gelassen werden«, sagt Livvy und lässt sich auf den Stuhl gegenüber von Edie sinken. »Von allen, mich einbegriffen.«
Aus dem Augenwinkel nimmt Edie plötzlich etwas wahr. »Vielleicht auch nicht.«
Livvy lacht gequält. »Glaub mir, das wüsste ich. Julia will niemanden sehen und mich als Allerletzte.«
»Ich glaube, das stimmt nicht, Livvy.« Edie deutet mit dem Kopf den
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