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Je sueßer das Leben

Je sueßer das Leben

Titel: Je sueßer das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darien Gee
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vielleicht zum Mittagessen einladen?«
    »Ach, das ist nicht nötig, Hannah«, sagt Julia. Im nächsten Moment würde sie die Worte am liebsten zurücknehmen. Das klingt so, als wollte sie Hannah nicht treffen, und nichts könnte der Wahrheit ferner sein. Schnell fügt sie hinzu: »Ich meine, es ist nicht nötig, dass Sie mich einladen.« Sie sieht ihr Spiegelbild in der Ofentür. Sie muss sich die Haare richten und sich ein wenig schminken.
    »Wie wäre es, wenn Sie dann einfach das nächste Mal zahlen?«, schlägt Hannah vor, und Julia freut sich über das in Aussicht gestellte weitere Treffen. »Was halten Sie davon, wieder zu Madeline zu gehen?«
    Julia kann sich keinen besseren Treffpunkt denken. »Das ist eine ausgezeichnete Idee.«
    »Würde Ihnen zwölf Uhr passen?«
    »Zwölf.« Julia spricht das Wort ganz langsam aus, erinnert sich, wie es ist, sich zu verabreden, eine Verpflichtung einzugehen. »Zwölf passt mir gut.«
    Hannah stützt sich auf die Arbeitsplatte und atmet tief den süßen Geruch des Brotes ein. Die Zimtkruste ist mit Zuckerkristallen übersät, winzigen, essbaren Diamanten. Das Brot ist noch warm, und Hannah löst es vorsichtig aus der Backform und legt es zum Abkühlen auf ein Kuchengitter. Sie ist stolz auf sich. Das ist das erste Mal, dass sie etwas ganz allein gebacken hat. Seit sie mit sechzehn Jahren professionell zu spielen anfing, hat sie praktisch nie am Herd gestanden, höchstens vor der Mikrowelle. Normalerweise ging sie auswärts essen oder ließ sich etwas kommen. Das war auch so geblieben, als sie ihre Karriere aufgeben musste. Was nicht zuletzt an Philippe lag, der die Aufmerksamkeit genoss, wenn ihn der Besitzer eines Restaurants mit Namen begrüßte.
    Seit sie in Avalon ist, greift Hannah zwar ab und an zum Kochlöffel, vor allem weil sie so ungern allein zum Essen ausgeht, aber weit gediehen sind ihre Versuche nicht. Ihre Speisekammer ist nur dürftig ausgestattet, und alles scheint so lange zu dauern –sowohl die Vorbereitung als auch das Kochen selbst, vom Aufräumen und Saubermachen ganz zu schweigen. Sie fragt sich, ob Philippe nicht doch recht hat, wenn er sagt, dass es besser ist, auswärts zu essen. Meistens hat sie nicht einmal mehr Hunger, nachdem sie gekocht hat.
    Das Freundschaftsbrot sieht allerdings so lecker aus und riecht so verführerisch, dass Hannah nicht widerstehen kann. Sie bricht ein Stück ab und schiebt es sich in den Mund. Es schmeckt toll. Sie wünschte, Philippe könnte sie jetzt sehen und wüsste, was ihm entgeht. Er war wütend, weil sie sich seinen Anweisungen widersetzt und seine Sachen selbst zusammengepackt hat. Einen kurzen Moment lang bekam sie Angst und dachte, dass sie alles nur noch schlimmer gemacht hatte. Aber dann riss sie sich zusammen.
    Warum sollte sie diejenige mit dem schlechten Gewissen sein? Von Anfang an hat sie sich immer nur nach ihm gerichtet. Als Philippe vorschlug zusammenzuziehen, hat sie ja gesagt. Als er sich verloben wollte, hat sie ja gesagt, obwohl sie eigentlich noch hatte warten wollen. Als er nach Chicago ziehen wollte, hat sie ja gesagt, auch wenn das bedeutete, dass sie ein paar Jahre ständig zwischen Chicago und New York hin und her fliegen musste, damit sie sich überhaupt sahen. Nach ihrer Heirat bestimmte Philippe erst recht, wo es langging, er suchte die Möbel aus, ihre Autos, ihren gemeinsamen Wohnort, wo und wann sie Ferien machen würden. Es war seine Idee, nach Avalon zu ziehen, was Hannah überraschte, aber auch freute. Sie hat zu allem ja und amen gesagt, und jetzt bereut sie das meiste davon.
    Er werde sich um alles kümmern, hat er ihr versichert, die Scheidung würde so schnell und reibungslos wie möglich über die Bühne gehen. Sie hatten nie gemeinsame Konten gehabt, und jeder verfügte über sein eigenes Einkommen. Sie kann das Haus in Avalon behalten, um darin wohnen zu bleiben oder es zu verkaufen, wenn sie ihm die gemeinsame Wohnung in Chicago überlässt, die, wie er betonte, nur halb so groß ist. Wenn im Juni die Konzertsaison vorbei ist, wird er Hannah ihre Sachen schicken. Sie werden beide ihre Autos behalten – Hannah den Toyota, Philippe den Audi –, mehr gäbe es nicht zu besprechen.
    Blödmann , denkt sie, während sie noch eine Scheibe von dem Brot isst und nur aufhört, weil sie sich nicht den Appetit für das Mittagessen mit Julia verderben will. Es ist kurz vor zwölf, aber es sind nur ein paar Schritte zum Teesalon, und Hannah will nicht zu eifrig erscheinen. Allerdings

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