Je sueßer das Leben
ist sie diejenige, die einlädt, und sollte deswegen auch nicht zu spät kommen. Sie steckt die drei Beutel mit Teig in ihre Tasche, sucht Geldbeutel und Schlüssel zusammen und verlässt das Haus.
Es ist ein schöner Tag, die Luft ist zwar noch frisch, aber man spürt den Frühling schon. Während Hannah die Straße hinuntergeht, knöpft sie ihre Jacke zu und bindet sich ein Tuch um den Hals. Sie betrachtet die Nachbarhäuser, man sieht ihnen an, dass sie voller Leben sind, dass sich jemand um sie kümmert. In ihrer Straße stehen viele kleine einstöckige Holzhäuser mit Schindeldächern, die vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts stammen und an die erst nachträglich Garagen angebaut wurden. Hannahs und Philippes Haus ist eines der wenigen, die einem umfangreicheren Umbau unterzogen wurden, um mehr Platz zu gewinnen. Der ursprüngliche Holzboden war abgezogen und restauriert worden, der Schmuckkamin – typisch für diese alten Häuser – durch einen ersetzt, den man auch befeuern konnte. Die winzigen Vorgärten täuschen über die beeindruckende Größe der hinteren Gärten hinweg, und ihr Garten ist etwas, was Hannah an ihrem Haus wirklich mag. Das hat sie in New York und Chicago immer vermisst. Platz. Grün. Einen eigenen Baum. Jetzt besitzt Hannah fünf, von denen sie den Blauglockenbaum am liebsten mag. Die duftenden lila Blüten fangen gerade an zu blühen.
Man merkt, wie stolz die Anwohner auf ihre Straße sind, die sich nicht weit von dem kleinen Park und der Grundschule befindet. Hannah gefällt es, dass Avalon groß genug ist, dass man ein Auto braucht, und gleichzeitig so vieles zu Fuß erreichbar ist. In weniger als fünfzehn Minuten Gehentfernung liegt eine hübsche kleine Eisdiele, wie man sie von früher kennt, mit schwarz-weiß gefliestem Boden und mit rotem Vinyl bezogenen Barhockern am Tresen. Wie wahrscheinlich schon Generationen vor ihnen gehen die Kinder nach der Schule dorthin, die Schultaschen warten derweil draußen gegen die Wand gelehnt. Hannah gefällt das.
Sie verlangsamt ihren Schritt, als sie sich dem Teesalon nähert. Im Vergleich zu den letzten Monaten herrscht ein reges Kommen und Gehen. Sie entdeckt Julia, die gerade aus ihrem Auto steigt, und lächelt, als diese ihr zuwinkt.
»Ich freue mich so, dass Sie Zeit haben«, sagt Hannah, während sie nebeneinander zur Eingangtür von Madelines Teesalon gehen. »Mir fiel schon die Decke auf den Kopf.«
»Mir auch«, sagt Julia. »Als Sie angerufen haben, war ich gerade dabei, den Kühlschrank zu putzen.«
Hannah macht Anstalten, sich zu entschuldigen, aber Julia beruhigt sie. »Ich bin froh, dass ich mal rauskomme.«
Sie treten ein und werden sogleich von den köstlichsten Gerüchen empfangen. Viele der Tische sind besetzt, und Hannah erhascht einen Blick auf den weißen Haarschopf Madelines, die mit zwei Tellern aus der Küche kommt und sehr geschäftig wirkt.
Madeline plaudert kurz mit einem Gast, dann nimmt sie einen großen Krug mit Eistee, geht von Tisch zu Tisch und schenkt den Gästen nach. Julia und Hannah zögern, sie wissen nicht, ob sie warten oder später wiederkommen sollen. In dem Moment sieht Madeline zur Tür und strahlt sie an.
»Da sind Sie ja!«, ruft sie, als hätte sie sie längst erwartet. Sie stellt den Krug hin, kommt zu ihnen herüber und umarmt sie fest, bevor die beiden Frauen auch nur guten Tag sagen können. »Ich bin gleich bei Ihnen. Haben Sie es eilig?«
»Ich nicht.« Hannah wirft Julia einen fragenden Blick zu.
Julia schüttelt den Kopf und sagt: »Ich auch nicht. Es ist noch gut Zeit, bis ich meine Tochter abholen muss.«
Madelines Augen leuchten. »Wie schön! Suchen Sie sich doch schon mal einen Platz, ich werde mich gleich um Sie kümmern.« Sie eilt davon.
»Langsam hat sie richtig viel zu tun.« Hannah sieht sich um, sie ist beeindruckt von der Menge an Gästen. Es ist seltsam – sie hat keine Probleme, vor fünfzigtausend Leuten im Central Park aufzutreten, aber in einem Raum mit fünfundzwanzig Leuten überkommt sie leichte Panik. Daher empfindet Hannah eine gewisse Erleichterung, als Julia einen freien Tisch entdeckt, und folgt ihr.
»In Avalon haben es neue Geschäfte ziemlich schwer, daher freue ich mich für sie, dass der Laden anfängt zu laufen«, sagt Julia. Sie sieht sich kurz um, bevor sie sich der Speisekarte widmet. »Offenbar sind auch ein paar Einheimische hier. Aber die meisten Gäste scheinen Touristen zu sein.«
»Erstaunlich, dass Avalon so viele Touristen
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