Jede Dunkle Nacht Hat Ein Helles Ende
wichtig war und wie Ihr Leben verlaufen ist. Der Rückblick hilft Ihnen, Ihr eigenes Leben und Ihre Entwicklung besser zu verstehen sowie die Bedeutung einzuordnen, die der Verstorbene darin hatte. So können Sie all diesen wichtigen Szenen und Vorgängen einen festen Platz in Ihren Gedanken und Ihrem Herzen geben. Ein gewisser Herzschmerz gehört dazu. Trotzdem tut es gut, die Erinnerung festzuhalten, denn sie ist Ihr Leben.
Schmerzliche Erinnerung
In den Tagen und Wochen nach dem Todesfall tut jede Erinnerung äußerst weh. Plötzlich ist da diese unfassbare Leere und Melancholie. Das Bett, in dem nun niemand mehr schläft. Die Lieblingstasse, die verloren auf dem Tisch steht. Die Brille – wieso liegt sie da noch herum? Sie versuchen, die alltäglichen Verrichtungen zu erledigen, die gewohnten Tagesabläufe abzuspulen. Alles soll so sein, wie es immer war! Aber es geht nicht.
Sie leben wie unter einer Glasglocke. Alles wirkt verschwommen und irgendwie bedeutungslos. Immer wieder werden Sie eingeholt und erschreckt von Erinnerungen. Wo der andere neben Ihnen ging, ist plötzlich niemand mehr. Wo Sie gemeinsam gelacht haben, ist es nun totenstill. Sie wissen noch genau, wie es sich anhörte, wenn der andere den Raum betrat. Wie er roch, wie es sich anfühlte, wenn Sie sich umarmten. Sie hören Worte und Geräusche, die verklungen sind. Sie sehen Dinge, die es nicht mehr gibt.
So wie amputierte Gliedmaßen schmerzen können, als wären sie noch da, so empfinden Sie die Nähe des Verstorbenen, obwohl Sie wissen, dass er nicht mehr da ist: Phantomschmerzen – der Begriff bringt das Gefühl makaber auf den Punkt.
Hinterbliebene befinden sich in einem Schwebezustand zwischen Wachsein und Tagtraum. Das gemeinsame Leben hat sich tief ins Bewusstsein eingebrannt, und es ist unbegreiflich, dass es nun für immer vorbei sein soll.
Aber diese schmerzhaften Erinnerungen sind eine unvermeidbare Stufe auf dem Weg Ihrer Trauerverarbeitung. Sie werden nach und nach ihre Heftigkeit verlieren und eine andere Bedeutung für Sie gewinnen. Sie können lernen, mit den Erinnerungen so umzugehen, dass Sie sich von ihnen bereichert und nicht mehr niedergedrückt fühlen. Der Schmerz und die Trauer bleiben ein Teil Ihres Lebens, aber nicht der alles beherrschende.
Einsicht in die Endlichkeit
Aus der Rückschau auf die gemeinsame Zeit können Sie viel Kraft schöpfen. Sie kann Ihnen zeigen, dass Sie geliebt wurden und dass Sie einem Menschen wichtig waren. Sie macht Ihnen deutlich, wie Sie bisher gelebt haben und was Ihr Leben reich gemacht hat. Der Mensch an Ihrer Seite war ein Geschenk an Sie – und umgekehrt. Zu welchem Zeitpunkt zwei Menschen einander loslassen müssen, ist ungewiss, aber dass es stattfinden wird, ist sicher. Sie wollten es bestimmt niemals wahrhaben, aber von Anfang an war klar, dass solche Geschenke nur Leihgaben des Schicksals sind, die eines Tages zurückgenommen werden. So sind die Regeln. Nun hat Sie dieses Schicksal getroffen. Was bleibt, ist der Gedanke zurück.
Erinnerungen – immer und überall
Manchmal werden Sie spontan erinnert – durch ein Lied, einen Geruch oder ein Geräusch. Dann steigen unwillkürlich die damit verknüpften Bilder in Ihnen auf. Auf diese spontan auftauchenden Assoziationen haben Sie kaum Einfluss. Sie überkommen Sie. Mancher ist zunächst davon überfordert und versucht alles zu verstecken, was an den Verstorbenen erinnert. Trotzdem wird noch genug bleiben, was ihm die Erinnerung quasi aufzwingt.
Anregung: Souvenirs des Lebens
Verändern Sie Ihre Sicht und betrachten Sie die Erinnerungen mehr als Andenken, also als Geschenke des Schicksals an Sie. Was Sie erlebt haben, ist der Reichtum Ihre Lebens; es bleibt durch das Gedenken in Ihnen lebendig und damit ein Teil Ihres Alltags. Verstehen Sie solche guten Erinnerungen als etwas Gutes und Tröstliches. Nehmen Sie auch den Schmerz an – zeigt er doch, wie groß die Liebe war.
Denken Sie zurück
Sie können sich auch ganz bewusst erinnern. Allein und zurückgezogen, durch die Imagination oder im Gespräch mit anderen. Das beginnt oft mit der Frage: »Weißt du noch?« Sofort sprudeln die Geschichten und Bilder, und jeder erzählt aus seiner Sicht. Unter Geschwistern erinnert man sich an die gemeinsame Kindheit, etwa auf welche typische Weise der Vater seinen Kleinen das Radfahren beibrachte. Wir er wild mit den Armen fuchtelte und rief: »Treten! Treten!« Oder die Mutter: Jene unnachahmliche Geste, mit der sie zu verstehen
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