Jede Nacht mit Charlie
Aufenthaltsraum.“ Ein verschmitztes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Sieh mal, Mama, ohne Hände …“
Charlie grinste zurück. So dickfellig Harry sein mochte, er besaß Persönlichkeit. „Trotzdem hätte ich meinen Verstand gebrauchen sollen.“
„Überflüssig. Marks Grips funktioniert ja auch nur auf Sparflamme.“ Er deutete aufs Mischpult. „Brauchst du eine Auffrischung deiner technischen Kenntnisse?“
Resigniert ergab Charlie sich in sein Schicksal und ließ sich erklären, wie die roten Plastikgleitknöpfe die Geräuschpegel von Kassettenabspielgerät, Mikrofon und CD-Player regelten. Er kam bestens zurecht, bis Harry zu den dreitausend verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten kam.
Vorerst würde Charlie sie lieber nacheinander benutzen.
Um einundzwanzig Uhr achtundfünfzig nahm Allie ihren Platz am Regiepult ein. Durch die Glasscheibe sah sie Charlie an der Studiowand lehnen. Trotz der lässigen Haltung strahlte er jene ursprüngliche Sinnlichkeit aus, die die Frauen reihenweise um den Verstand brachte. Sie bildete da keine Ausnahme. Sehnsüchtig folgte ihr Blick den ausgeprägten Muskeln, die sich unter seinem Hemd abzeichneten, glitt dann über den flachen Bauch zu den verwaschenen Jeans, die eng seine schmalen Hüften umspannten. Prompt gerieten ihre Gedanken auf Abwege.
Zurück zur Sendung! ermahnte sich Allie. Heute Nacht war die erste Nacht vom Rest ihrer Karriere. Wenn Charlie der neue Stern am Radiohimmel werden sollte – und das würde er! – war heute die Nacht der Nächte. Sie musste seine Arbeitsweise studieren. Dann konnte sie eine Sendung auf seinen persönlichen Stil zuschneiden und einen entsprechenden Werbefeldzug starten. In null Komma nichts würde sie wieder an der Spitze sein!
Bei dem Gedanken schlug ihr Herz schneller. Ihr Erfolg war unaufhaltsam – sofern sie sich strikt auf Charlies Fähigkeiten konzentrierte. Als Moderator.
Harry verkündete gerade: „Das war’s für heute, Leute. Als Nächstes kommt unser Neuerwerb, Chuckling Charlie Tenniel. Zum Schluss noch ein letzter Heuler von Harry. Harooooooo!“
Chuckling Charlie? Nun, das ließ sich regeln. Sie konnte alles regeln, solange sie eisern an ihren Zielen festhielt. Sie würde Charlie zum Star machen, und wenn es sie beide umbrachte!
Nach einem kurzen Wortwechsel überließ Harry Charlie seinen Platz und gesellte sich zu Allie im Regieraum. „Die Nachrichten laufen. Sag mal, angeblich soll Charlie doch jede Menge Erfahrung besitzen, oder?“
„Ja.“ Allie überprüfte die Telefone. Die Chancen auf einen Anruf standen zwar verschwindend niedrig, doch sie wollte vorbereitet sein, selbst wenn es nur Beschwerden wegen der ausbleibenden Marsmännchenwanderung hagelte. „Er war einige Jahre bei einem Sender in Lawrenceville.“
„Im Ernst?“ Harry kratzte sich den Hinterkopf. „Was soll’s. Schließlich geht’s hier nicht um Gehirnchirurgie. Wenn ich es schaffe, bringt er es auch.“
„Schluss damit!“ Leicht entnervt sah Allie auf. „Du bist sehr gut. Du wärst sogar noch besser, wenn du dir dieses elende Gejaule abgewöhnen würdest. Wo wir gerade davon reden . diese Chuckling-Charlie-Sache muss aufhören. Wir bringen ein Spitzenprogramm.“ Allie überlegte. „Aus irgendeinem Grund hasst er ‚Ten‘ Tenniel, das fällt also flach.“ Sie brauchten unbedingt einen eingängigen Titel. „Nur ‚Charlie‘ ist zu farblos. ‚Charlie Late Night‘ vielleicht?“
Harry schüttelte den Kopf. „Klingt wie Letterman.“
„Nightshow mit Charlie?“
„Langweilig.“
Allie zermarterte sich den Kopf nach einer zündenden Idee. „Charlies Nachttalk? Charlie um Mitternacht? Charlie all night – in die Nacht mit Charlie?“
„Klingt gut. Irgendwie sexy. Er hat die passende Stimme.“
Ein blasser Hoffnungsschimmer. „Glaubst du, er kommt bei den Hörern an?“
„Schwer zu sagen.“ Verlegen scharrte Harry mit den Füßen. „Hör zu, Al, ich habe mich gefragt .“
Zu ihrer Verwunderung fand Allie sich einem sprachlosen Harry gegenüber. „Ja?“
Harry zögerte. „Ich weiß, dir fehlt die Zeit für ein intensives Coaching, aber ein paar Tipps für meine Sendung wüsste ich wirklich zu schätzen.“
„Gib mir Zeit. Wir sprechen morgen darüber.“
Sein Gesicht leuchtete auf. „Danke, Al! Echt super!“ Er deutete auf Charlie, der seine neue Wirkungsstätte mit sichtlicher Ernüchterung musterte. „An deiner Stelle würde ich heute Nacht ein Auge auf unsere Wunderwaffe
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