Jede Nacht mit Charlie
den wuchtigen Schreibtisch. „Sie lassen gefälligst die Politik aus dem Spiel!“
Mit stoischer Gelassenheit ertrug Charlie Bills vernichtenden Blick. „Und heute Nacht?“
Bill resignierte. „Schneiden Sie die brenzligen Themen nicht von sich aus an, aber würgen Sie die Anrufer auf keinen Fall ab.“ Er schüttelte den Kopf wie ein grantiger Bär. „Sonst kommen die Leute noch auf die Idee, wir hätten etwas zu verbergen.“
„Ganz meine Meinung.“
Draußen vor dem Büro wartete Allie und fürchtete, das Rathaus sei als Thema endgültig gestorben. Bill hasste Kontroversen – Seite sechs seines Handbuchs -, und Charlie wollte eine nette, ruhige Call-in-Sendung. Nach der vergangenen Nacht neigte Allie dazu, Charlie jeden Wunsch zu erfüllen. Allerdings stand ihre Karriere auf dem Spiel. Vielleicht konnte sie ihn zu einer Livediskussion über die Tücken moderner Beziehungen verführen .
Schnell verwarf sie diese Idee wieder. Was die Verführung anging, würde Charlie begeistert kooperieren, nur reden würde er darüber nicht. Er war so starrsinnig wie … nun, wie sie.
Bills Stimme schwoll an. Allie legte das Ohr an die Tür. Bill bedachte Charlie mit einer Menge Namen für jemanden, der ihm brav in allem zustimmte.
Von hinten tippte Harry ihr auf die Schulter. „Bekommst du auch alles mit?“
„Pst!“
Bill steuerte das strittige Rathausthema an und Harry den Pausenraum. Sekunden später kehrte er mit einem Glas zurück. „Versuch’s damit.“
Das Glas stellte eine deutliche Verbesserung dar. „Er lässt sich gerade über die Rathausdiskussion aus.“
„Erzähl mir was Neues! Was sagt Charlie?“
Eine tiefe Furche erschien auf ihrer Nasenwurzel. „Noch gar nichts.“
„Er muss die Hinhaltetaktik anwenden. Lass mich mal lauschen.“
Allie reichte das Glas weiter und lehnte sich zum Nachdenken an die Wand. Ihre Gedanken rasten. Noch war nicht die Rede davon gewesen, dass Charlie Bills Wunsch folgen und die Geschichte begraben würde. Also wollte er Bill entweder auf Hundertachtzig bringen, was dumm wäre, doch typisch für Charlie, oder er hatte sich entschlossen, den Skandal aufzudecken.
Man stelle sich nur die Zahl der Anrufer vor. Und die Einschaltquoten!
Karen tauchte hinter ihnen auf, Sams Korb in der Hand. „Ich dachte, ihr wärt im Studio.“
„Pst!“ fauchte Harry. „Beattie liest heute die Nachrichten. Auf eigenen Wunsch.“ Wieder wandte er sich der geschlossenen Tür zu.
Die beiden Frauen pressten ihr Ohr an den winzigen Spalt, der nicht von Harrys massiger Gestalt blockiert wurde.
„Geht es um’s Rathaus?“ Stewart zwängte sich dazwischen.
„Sei still! Wie hat er Charlie genannt?“
„Einen hirnlosen Penner“, berichtete Harry. „Jetzt wirft er mit Anatomiebegriffen um sich. Das bedeutet, er schlafft ab. Verdammt, er hat aufgehört!“
„Ist Charlie gefeuert?“
Alle drei fuhren zu Stewart herum. „Nein!“
„Was geht da vor?“ Allie zupfte an Harrys Ärmel. „Sie sind verdächtig still.“ Die Spannung wurde unerträglich. „Besteht Charlie auf dem Rathausthema?“
Harry scheuchte sie weg. „Ich sage doch, ich höre nichts.“
Plötzlich ging die Tür auf. Wie ein Stein fiel das Glas zu Boden.
„Saft.“ Hastig bückte Harry sich nach dem verräterischen Indiz. „Erfrischungspause. Die Nachrichten laufen und …“ Er wich zurück. „Saft!“
Karen lächelte strahlend. „Sam.“ Sie hielt Charlie den Korb unter die Nase. „Ich wollte Harry bloß den Korb übergeben.“
„Und ich wollte gerade gehen.“ Allie wirbelte auf dem Absatz herum.
„Ich habe an der Tür gelauscht“, hörte sie Stewart sagen. „Beim nächsten Mal musst du lauter sprechen.“
„Ich werd’s beherzigen.“ Schnellen Schrittes eilte Charlie seiner Produzentin nach. „Du kannst dich nicht verstecken, McGuffey! Ich weiß alles über den Whitcomb-Auftritt!“
Allie bog scharf nach links ab. Das Studio und damit die Rettung war nur Meter entfernt. „Ich muss mit Harry sprechen.“
„Harry trinkt Saft.“ Unsanft fing er ihren Arm ein und bugsierte sie quer durch den Flur. „Du musst mit mir sprechen.“
Kaum war die Bürotür ins Schloss gefallen, platzte Charlie der Kragen. „Du hast den Bürgermeister angerufen! Du hast deinen ehrgeizigen kleinen Finger auf die Tasten gedrückt und Rollins aus dem Schlaf gerissen!“
Allie schob ihre Brille hoch. Man sah förmlich ihre kleinen grauen Zellen rotieren. „Das Rathaus ist ein Thema von öffentlichem
Weitere Kostenlose Bücher