Jede Nacht mit Charlie
Charlie den Kopf. „Sam und ich lassen es für den Rest der Nacht ruhig angehen.“ Der Song war zu Ende, und Charlie legte die nächsten drei Titel auf: Billy Joel, Garth Brooks und Tony Bennett. Bei den Anfängen von „River of Dreams“ nahm er die Kopfhörer ab und hob Sam aus dem Korb. Der Winzling verlor sich fast in seiner großen Hand. Durch sanftes Kitzeln versuchte er, Sams Schluckreflex auszulösen.
Allie schloss die Augen und flehte um himmlische Unterstützung für ihr Sorgenkind. „Vielleicht macht ihn die Wärme lethargisch.“ Allie setzte Sam aufs Mischpult und rieb ihm den Bauch.
„Bei seinem Untergewicht gehört er in einen Brutkasten.“
Mühsam begann Sam zu zappeln.
„Er friert. Nein, warte.“ Schnell hielt Charlie dem Hundebaby die Flasche an die Schnauze. Der Welpe machte zaghafte Sauggeräusche. „Ich will verdammt sein! Er trinkt!“ Charlie legte den Kopf neben Sam aufs Mischpult. Dabei verschob er die Kopfhörer. „Was jetzt? Er hört auf.“
„Kopf weg!“ Sowie Allie die Kopfhörer wieder heranzog, machte der Winzling sich wieder über die Flasche her, schwach zwar, doch mit beständigem Rhythmus.
„Nicht zu fassen!“ staunte Charlie. „Er mag Billy Joel.“ Anscheinend erinnerte der dumpfe Klang der Bässe Sam an den Herzschlag seiner Mutter. Zusätzlich gurrte Allie dem Welpen aufmunternde Worte ins Ohr. Die Art, wie sie Charlie dabei ihre verführerische Kehrseite präsentierte, war praktisch eine Einladung. Ehe Allie wusste, wie ihr geschah, hatte er sie auf seinen Schoß gezogen.
„Wie läuft die Sendung bislang?“ Tief atmete er den Blütenduft ihres Shampoos ein.
„Grandios, wie immer.“ Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Sam.
„Was meinst du mit ‚wie immer‘? Das war erst unser zweiter Versuch.“
„Wir sind gut. Er hört auf. Was ist los?“
Charlie griff nach den Kopfhörern. „Womöglich hat er was gegen ‚Friends In Low Places‘. Dabei ist das einer meiner Lieblingssongs.“
„Spiel Billy Joel, um Himmels willen!“ forderte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
„Dann zapple nicht so! Es lenkt ab. Muss es unbedingt ‚River Of Dreams‘ sein?“
„Was fragst du mich? Spiel Billy! Was einmal funktioniert, klappt auch ein zweites Mal.“
Gut, dass es ein so guter Song war.
Nach dem dritten Durchgang schlief Sam satt und zufrieden ein. Behutsam legte Allie ihn in den Korb und wollte von Charlies Knien rutschen.
„Nicht so hastig!“ Ihren Protest erstickte er mit einem zärtlichen Kuss. Nur einen kurzen Augenblick wollte er ihre Hingabe genießen, doch Allie schlang ihm die Arme um den Hals und reagierte mit einer Leidenschaft, die sein Blut sofort zum Sieden brachte.
„Hallo“, sagte sie einige Minuten später und schnappte nach Luft. „Wofür war denn das? Nicht, dass ich mich beschwere .“
„Das war für mich.“ Auch Charlie rang nach Atem. „Besser, du verschwindest jetzt, oder ich nehme dich gleich hier im Studio.“
„Das sind doch nur alberne Sprüche, Tenniel!“ Provozierend wand sie sich. Erst als sich sein Griff um ihre Taille verstärkte, rutschte sie von seinem Schoß und wich geschickt seinen Händen aus.
Charlie ließ sie gehen.
Die Nacht war schließlich noch lang.
„Hm . ja . mehr .“
Mit ekstatischen Seufzern machte sich Allie über eine Doppelportion Knoblauchhähnchen her. „Weißt du, Charlie, dein Potenzial habe ich gleich auf Anhieb erkannt, aber dass du praktisch wie eine Bombe eingeschlagen bist, überrascht mich schon. Warte, bis die PR-Aktion anzieht!“
Missgelaunt stocherte Charlie im Hähnchenfleisch. „Gib’s auf! Mit mir pflasterst du keine Plakatwände!“
„Ich ahne dein Problem.“ Allie kippte den Inhalt der Reisschachtel zum Fleisch. „Du leidest unter Erfolgsangst.“ Mitfühlend tätschelte sie seine Hand. Immerhin war ihm ziemlich schnell der große Wurf gelungen. „Ein relativ häufiges Phänomen. Du gewöhnst dich schon dran. Vertrau mir.“
Charlie entwand ihr den Karton und versteckte ihn hinter seinem Rücken. „Nein, werde ich nicht. Sieh mich an!“
Gehorsam schaute Allie auf, die Gabel in Stellung gehalten, für den Fall, dass die Mahlzeit zufällig in ihre Reichweite geriet.
„Ich will nicht erfolgreich sein! Ich hasse Starrummel!“ Er sprach langsam und betont. Wie konnte eine Frau nur so begriffsstutzig sein? „Erfolg verdreht den Leuten den Kopf, und schon glauben sie, sie könnten sich alles erlauben. Halt mich aus der PR-Kampagne heraus!
Weitere Kostenlose Bücher