Jede Nacht mit Charlie
wirklichkeitsfremden Männern sei, dass wir uns lieber Hugh Hefners Werke als die von Rubens anschauen. Da seien Enttäuschungen vorprogrammiert.“ Stirnrunzelnd verglich er Allie mit den abgebildeten Frauen. „Du musst Gewicht zulegen.“
„Gut. Ich fange sofort damit an.“ Genüsslich biss sie in die Überreste seines Cheeseburgers, den er sich zur Stärkung ins Studio mitgebracht hatte. „Brauchst du sonst noch was?“
„Nein.“ Der Song endete. Charlie kehrte ans Mikrofon zurück. „Und jetzt, für alle William Wordsworth-Fans, die vergeblich versucht haben, unsere nichtfunktionierenden Telefone zu überlisten: Natürlich stammte das gestrige Zitat nicht von Tennyson, sondern aus Wordsworths Werk ‚The World Is Too Much With Us‘. Will schrieb diese kleine Weise 1807, doch sie hat uns auch heute noch etwas zu sagen.“
Ein eingelegter Maiskolben quoll aus Allies Cheeseburger und hinterließ eine Senfspur auf ihrer weißen Bluse. „Oh, verdammt!“
„Das, liebe Freunde, war die Stimme von Alice McGuffey, meiner Produzentin.“ So ein Anfängerfehler war selbst ihm noch nicht unterlaufen. „Normalerweise ist dies eine Ein-Mann-Show, doch Allie hat sich gerade an meinem Cheeseburger vergriffen und dann auch noch die Hälfte auf ihrer Bluse verloren. Was ist das für ein Material, Allie?“
„Seide. Ein Fall für die chemische Reinigung.“
„Hat irgendjemand da draußen eine idiotensichere Methode zur Entfernung von Senfflecken? Damit könnt ihr meiner Produzentin einen Riesengefallen erweisen. Ruft an, und rettet Allies Bluse. Für eine neuerliche Shopping-Orgie wird sie bei uns zu schlecht bezahlt. Oh, ihr könnt ja nicht anrufen. Dann schreibt eben. Und nun für alle Nachtschwärmer: die ‚2 Live Crew‘.“
Allie schnappte entsetzt nach Luft.
Was hatte er jetzt wieder verbrochen? „Hey, es ist nicht meine Schuld, wenn du meinen Cheeseburger klaust und dich mit Senf bekleckerst.“ Er stand auf, dehnte die verspannten Muskeln und setzte sich aufs Mischpult. Bei Allies mörderischem Blick wich er zurück, bis er an den Lautstärkeregler stieß.
„Die ‚2 Live Crew‘?“ wetterte sie. „Du spielst die ‚2 Live Crew‘?“
„Ja, Allie. Ich spiele die ‚2 Live Crew‘. Es ist meine Sendung.“
„Und ich hielt dich für einen anständigen Kerl!“ Aufgebracht feuerte sie den Cheeseburger aufs Mischpult.
„Ich bin ein anständiger Kerl. Willst du meine Referenzen sehen?“ Charlie genoss den Disput, denn ausnahmsweise ging es nicht um den Ausbau seiner zweifelhaften Karriere.
Allie kam sichtlich in Fahrt. „Deine ‚2 Live Crew‘ ist eine Ansammlung sexistischer Psychopathen, und du gibst ihnen Sendezeit!“
„Amerika ist ein freies Land. Artikel 1 der Verfassung besagt …“
„Artikel 1 der Verfassung gibt den Männern nicht das Recht, gewalttätige Übergriffe auf Frauen zu verherrlichen!“
„Tatsächlich tut es das doch.“
Das gab ihr den Rest. Allie wurde purpurrot.
„Nur die Ruhe“, wehrte Charlie ihren Widerspruch ab. „Deiner Meinung nach soll ich also zensieren, was über den Äther geht?“
„Dies ist deine Sendung“, zischte Allie. „Was du spielst, spiegelt deinen Geschmack wider. Du besitzt die Verantwortung …“
„Ich besitze die Verantwortung, Musik zu spielen, die einer Menge unterschiedlicher Leute gefällt. Die ‚2 Live Crew‘ mag nicht meine Lieblingsgruppe sein, aber .“
„Oh. Richtig.“ Ihre Augen schossen Blitze. „Eine Menge unterschiedlicher Musik? Wann spielst du Barry Manilow?“
„Eher sterbe ich!“
„Nach deiner Argumentation ist das Zensur.“
„Nein, ist es nicht.“ Auch Charlie näherte sich rasch seiner Toleranzschwelle. „Ich habe nichts gegen seine Texte. Er macht einfach nur lausige Musik.“
„Aber du besitzt die Verantwortung, Musik zu spielen, die einer Menge unterschiedlicher Leute gefällt“, spottete Allie.
„Nicht Barry Manilow.“
„Also spielst du Psychopathenmusik, die befürwortet, Frauen zu verletzen, aber du spielst keine mittelmäßige Musik, die befürwortet, sie zu lieben.“
„Allie, verdreh mir nicht die Worte im Mund!“
„Weißt du, was du bist? Du bist genau wie Mark!“
„Pass auf, was du sagst, Lady!“
Allie bebte vor Zorn. „Du bringst uns Frauen gegenüber keinerlei Respekt auf. Die Frauenbewegung amüsiert dich, und du denkst .“
„Ich liebe die Bewegungen der Frauen. Komm schon, Allie …“
Den Bruchteil einer Sekunde war sie ernsthaft in Versuchung, ihm eine
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