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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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»Ja klar«, meinte ich. »Deshalb sind meine Radhosen ja auch gepolstert.«
    Ich verließ Washington mit einer Reihe neuer Fragen über meinen besonderen Status als Sportler. Sportler sind Figuren des öffentlichen Lebens. Zugleich jedoch neigen wir zu der Haltung, dass es uns nicht zusteht, uns zu politischen Themen oder zum aktuellen Tagesgeschehen zu äußern. Schließlich beschränkt sich unser Job ja darauf, mit unserem Körper Höchstleistungen zu erbringen. Für mich ist das nicht ausreichend. Es geht nicht um das Fahrrad. Ging es noch nie. Es geht um Ziele. Jeder Mensch sollte ein Ziel haben.
    Ich kämpfe immer noch mit der Frage, ob es meine Pflicht ist, mich öffentlich zu äußern. Aufgrund meines freundschaftlichen Verhältnisses zu Präsident George W. Bush wurde ich im Vorfeld des Irakkriegs von vielen amerikanischen und ausländischen Journalisten nach meiner Meinung zu dem Thema gefragt. Meine Antwort war, dass ich zwar nicht für Krieg bin – wer ist das schon? –, aber dass ich hinter meinem Präsidenten und unseren Soldaten stehe. »Also sind Sie nicht seiner Meinung?«, hakte ein Journalist nach, worauf ich antwortete: »Wissen Sie, das Gute an Amerika ist, dass es ein Land ist, in dem man mit seinen Freunden nicht unbedingt einer Meinung sein muss.«
    Eine weitaus bedeutungsvollere Antwort auf diese Frage verdanke ich meinem Freund Lee Walker. Eines Nachmittags, wir saßen gerade bei ihm im Garten, fragte ich ihn, wie er über den Irakkrieg denke.
    »Ich will dir zwei Sachen sagen«, antwortete Lee. »Erstens, ich weiß zwar nicht genau, was ich davon halten soll, aber ich bin Amerikaner und folge meinem Präsidenten. Wohin er geht, dahin gehe ich auch. Zweitens aber ist das ein globales Thema, eine Sache also, auf die ich keinen Einfluss habe. Was den Irak angeht, kann ich verdammt noch mal rein gar nichts tun, und mit diesem Saddam Hussein habe ich nicht das Geringste gemeinsam. Aber es gibt etwas, was ich tun kann . Ich kann runter an die nächste Straßenecke gehen und versuchen, dort die Welt ein bisschen besser zu machen. Das kann ich. Ich kann im Park etwas bewegen. Ich kann an der Bushaltestelle etwas bewegen. Ich kann hingehen und mit der Parkbank dort etwas bewegen und vielleicht jemandem eine bessere Minute, einen besseren Tag, ein besseres Leben bescheren. Das kann ich.«
    Dabei zeigte Lee auf eine Bank auf dem Gehweg vor seinem Haus. Lee hat diese Bank von seinem eigenen Geld gekauft und aufgestellt, um, wie er sagte, einen kleinen Beitrag für sein Viertel zu leisten. In Lees Viertel leben viele ältere Menschen, und wenn sie etwas benötigen, gehen sie zu Fuß in die umliegenden Geschäfte. Irgendwann kam Lee der Gedanke, dass diese Leute vielleicht eine Gelegenheit brauchten, sich hinzusetzen und ihre Beine auszuruhen. Und so sieht man jetzt auf der Bank vor Lees Haus Leute mit Einkaufstüten sitzen und ihren Beinen eine Rast gönnen.
    Lees Philosophie läuft darauf hinaus, Probleme auf ihr kleinstes Element zu reduzieren, auf den Menschen oder das Kind dahinter, und von da an aufwärts zu arbeiten. »Es gibt viel, an dem wir nichts ändern können«, fuhr er fort. »Aber die Dinge direkt hier vor uns, an denen können wir mit unseren beschränkten Möglichkeiten etwas ändern.«
    Genau das ist, was auch ich gerne tun möchte. Ich will Parkbänke aufstellen. Der Krebs ist meine Parkbank. Und die Kinder, die ich in meinen Armen halte.
    Zwischen einem Mann ohne Macht und einem Mann mit Macht, der sie nicht einsetzt, besteht kein Unterschied. Das denkeich inzwischen über prominente Sportler und ihren Umgang mit dem Tagesgeschehen. Wäre ich religiös, würde ich sagen, mich gegen den Krebs engagieren ist das, was Gott von mir erwartet. Aber ich bin nicht religiös. Also sage ich einfach, das kann ich tun, und dazu bin ich bestimmt.
     
    Am Ende eines Buches fragt man sich immer, was dem Protagonisten wohl als Nächstes passiert? Lebt er weiter oder stirbt er, gewinnt er oder verliert er, ist er glücklich oder unglücklich? Was wird aus ihm?
    Was jetzt folgt, ist nur ein Teil dessen, was nach der Tour de France 2002 passiert ist. Endlich, am 2. September 2002, stellten die französischen Behörden die Dopingermittlung offiziell ein. Bill Stapleton hatte Recht behalten, die Sache wurde stillschweigend begraben. Nach 21 Monaten der Nachforschung stellten die Ermittler in einer kurzen, unfreundlichen Erklärung aus dem Büro des Staatsanwalts schlussendlich fest, dass sie nicht die

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