Jeden Tag ein Happy End
Ich tauche darin ein. In dem Moment blende ich alles andere aus bis auf diese beiden Menschen, ihre Gedanken, ihre Gefühle.«
»Klingt intensiv«, sagte sie. Klingt sexy, sagte ihr Tonfall.
»Ich habe jedes Mal ein Kribbeln im Bauch.« Ich ritt jetzt so richtig schön auf dem Aufregungsfaktor herum. »Als würde man ganz früh morgens tauchen gehen. Es ist dunkel und kalt. Man will nichts lieber als im Boot sitzen bleiben. Aber ich zwinge mich dazu, abzutauchen.«
»Wohin?«
»In die Beziehung dieses Paars. Mit Taschenlampe und Lupe bewaffnet erforsche ich die verborgenen Winkel. Dann komme ich wieder an die Oberfläche und habe sozusagen ein Sonarprotokoll in Prosaform vor mir. Und indem befindet sich dann der Kern ihrer Liebe, das, was ihre Verbundenheit miteinander ausmacht.« Meine Angst, dass mein Job nur ein Ersatz war, weil ich so eine Verbundenheit mit einem anderen Menschen vielleicht niemals selbst erleben würde, verschwieg ich.
»Da hast du ja bestimmt oft mit Paaren zu tun, die schon lange zusammen sind.«
»Nicht immer«, sagte ich, und sah ihr tief in die strahlend blauen Augen. »Vor ein paar Wochen habe ich zwei interviewt, die sich mit sieben im Ferienlager kennengelernt haben. Er hat sie aus dem Kanu geschubst, und sie war schlau genug, zu durchschauen, dass er sie eigentlich mochte. Die Woche davor hatte ich ein Paar, das sich erst seit einem halben Jahr kannte.«
»Hattest du schon mal ein Interview mit einem Paar, das sich mehrmals getrennt hat und wieder zusammengekommen ist?« Irgendwie kam es mir vor, als hätte sie schon lange darauf gewartet, diese Frage zu stellen.
»Klar«, sagte ich.
»Und was ist aus denen geworden?«
Hielt sie mich für einen Wahrsager? »Wie es nach der Hochzeit weitergeht, erfahre ich leider nicht.«
Eine Weile saß sie schweigend da. »Warst du schon mal verheiratet?«
Das war nun nicht unbedingt mein Lieblingsthema beim ersten Date.
»Nein.« Ich wusste genau, welchen Eindruck ein Mann in meinem Alter mit dieser Antwort machte.
»Hast du schon mal mit jemandem zusammengewohnt?«, war folglich ihre nächste Frage.
Unser Gespräch über Restaurants, in denen ich nie gewesen war, hatte mir besser gefallen. »Offiziell nicht, nein«, sagte ich und musste an Laurel denken, wie sie in meinenBademantel gehüllt grünen Tee aus meiner Knicks-Kaffeetasse trinkt und Kreuzworträtsel löst. Ich versuchte, dieses Bild aus meiner Erinnerung zu löschen.
»Und du so?«, fragte ich schließlich zurück, eher aus Höflichkeit. Eigentlich wollte ich gar nichts über ihre früheren Beziehungen wissen.
»Bei mir sieht’s genauso aus. Ich war auch noch nie verheiratet, aber ich war fast fünf Jahre lang mit einem Investmentbanker zusammen. Wir haben uns immer wieder getrennt und sind dann doch wieder zusammengekommen.« Sie versuchte unbeteiligt zu klingen, es gelang ihr nicht.
»Habt ihr zusammengewohnt?«, fragte ich.
Sie senkte den Blick. »Ich soll morgen bei ihm einziehen.«
Jetzt war ich an der Reihe, nur »Oh« sagen zu können.
»So ist es zumindest geplant. Er drängt mich ziemlich zu diesem Schritt, aber ich bin total unsicher. Mit uns beiden ist es so oft hin und her gegangen, wir wohnen auch erst seit ein paar Monaten überhaupt in derselben Stadt. Man trifft so schnell Entscheidungen aus den falschen Gründen. Weil man Angst hat. Weil man älter wird. Weil man es sich nicht noch mal antun will, sich auf die Suche nach jemand Neues zu machen.«
Ich nickte und überlegte, ob ich mein Sashimi noch abbestellen konnte.
»Als du mich zum Essen eingeladen hast, wusste ich erst nicht, was ich sagen soll. Dann ist mir aufgegangen, dass das genau das ist, was ich brauche. Die Gelegenheit, herauszufinden, ob es doch noch jemand anderen für mich gibt. Jemand, der intelligent ist. Gebildet. Erfolgreich.«
Das klang schon besser. Ich hatte schon wieder viel zu früh aufgeben wollen. Biene zu sein war eben noch Neuland für mich.
»Wenn ich ganz ehrlich bin, wollte ich überhaupt nicht, dass das Umzugsunternehmen morgen kommt«, fuhr sie fort. »Aber jetzt habe ich gar keine Angst mehr davor. Dafür bin ich dir wirklich dankbar.«
Die Restaurantrechnung belief sich auf einhundertundneunzig Dollar. Die emotionale Zerstörung war nicht bezifferbar. Auf dem Nachhauseweg ging ich den Abend immer wieder in meinem Kopf durch und versuchte herauszufinden, was schiefgelaufen war.
Es gab nur einen, der es mir erklären konnte: Mike. Ich bat um Entschuldigung für
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