Jeden Tag ein Happy End
gelesen.«
Gawker, die Gerüchteküche im Internet, die sich ausschließlich mit der gehässigen, schmutzigen Seite der Unterhaltungsindustrie beschäftigte, war oft unsere beste Quelle für Interna. Wenn irgendein Musikkritiker einem der Redakteure das Toupet heruntergerissen hatte und die Security gerufen werden musste, gab es auf Gawker schon das Video davon, bevor die Geschichte bei uns im Haus auch nur bis zur dritten Etage vorgedrungen war.
Mich enttäuschte die mangelnde Loyalität der Leute gegenüber unserer Zeitung. Aber im Moment war ich natürlich auch dankbar dafür.
Laut Gawker kündigte eine anonyme Quelle die baldige Entlassung von einhundertfünfzig Mitarbeitern an. Wasden jüngsten Kürzungen bei der ›L. A. Times‹ und der ›Washington Post‹ entsprach. Kein großer Trost.
Wenn gerade alle Zeitungen ihre Mitarbeiterzahlen verringerten, schwanden meine Chancen auf einen neuen Job, falls ich den hier verlieren sollte. Aber man soll ja nicht immer gleich vom Schlimmsten ausgehen. Eigentlich stand noch nicht einmal fest, dass überhaupt jemand entlassen wurde. Die Leute bei Gawker lagen nicht jedes Mal richtig, und sie genossen nicht den Ruf, die Faktenlage ordnungsgemäß zu prüfen. Ich musste herausfinden, ob auch andere Nachrichtenseiten darüber berichteten. Während ich die CNN-Homepage überflog, klingelte mein Telefon.
»Hier ist Emily von der ›Today Show‹.«
Ich zuckte zusammen. Die ›Today Show‹ prüfte normalerweise ihre Fakten genauer als Gawker. Was wussten die, was ich nicht wusste?
»Ich habe Roxanne Goldman für Sie in der Leitung.« Zum Glück falscher Alarm. Roxanne war eine der Sendeleiterinnen bei der ›Today Show‹, und ihre Hochzeit würde in der letzten Februarwoche in Malibu stattfinden. Ich hatte heute um zwei einen Interviewtermin mit ihr.
»Ich muss Ihnen leider für heute absagen«, sagte Roxanne. So viel also zu unserem Termin. Das war das dritte Mal, dass sie mir absagte. Entweder war sie eine richtige Diva, oder sie hatte einfach Angst vor diesem Artikel. Sie heiratete einen israelischen Turner, den sie während der Berichterstattung über die Olympischen Spiele in Athen kennengelernt hatte. Ich hatte von der Hochzeit durch ihre Pressesprecherin erfahren und mittlerweile die Befürchtung, dass dieser der Artikel weit wichtiger war als der Braut selbst.
»Möchten Sie den Termin auf eine spätere Uhrzeit verschieben?«, fragte ich sie.
»Ich hatte eher an einen anderen Tag diese Woche gedacht«, gab sie zurück. Heute war Freitag.
»Falls Sie nicht das Wochenende meinen, reden wir dann also von nächster Woche«, sagte ich.
»Umso besser. Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir den Termin auf den Abend legen?«
Natürlich hatte ich etwas dagegen. »Wie wär’s mit Montagabend um sechs?« Ich hielt das für einen fairen Kompromiss.
»Lieber Dienstagabend um neun. Huch, da ist Lauer auf der anderen Leitung. Schreiben Sie mir eine E-Mail, falls was dazwischenkommt, ja?«
Es überraschte mich immer wieder, wie viele Frauen ihren Hochzeitstag auch für den wichtigsten Tag im Leben aller anderen Menschen hielten. Roxanne hatte wirklich Glück, dass ich es mir nicht leisten konnte, der Braut gegenüber ausfallend zu werden. Bei ihrer Pressesprecherin sah das hingegen ganz anders aus, und ihre Klientin hatte sich verdammt noch mal den falschen Tag ausgesucht, um bei mir für schlechte Laune zu sorgen.
Ich suchte die Telefonnummer von Brooke Brenner heraus, der PR-Agentin, die mir seit Monaten damit in den Ohren lag, über Roxannes Hochzeit einen Artikel zu schreiben. Die Vorwahl war von L. A., und ich überlegte, ob es vielleicht noch zu früh für einen Anruf war. Mittlerweile war ich jedoch so genervt, dass ich wenigstens eine schroffe Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen wollte. Ich sah zu Renée hinüber, die sich immer noch mit Tucker im Konferenzraum befand und aufgebracht gestikulierte. Plötzlich meldete sich Brooke verschlafen am anderen Ende der Leitung. Völlig überrascht fiel mir nichts Besseres ein, als meinen Namen zu sagen. Sie war sofort hellwach.
»Wir freuen uns so auf den Artikel!«
»So kommt das hier aber nicht an«, gab ich pampig zurück. Sollte ich mich dafür entschuldigen, dass ich sie geweckt hatte, oder lieber weiter den genervten Reporter spielen? Tucker schien es mittlerweile gelungen zu sein, Renée zu besänftigen.
»Was meinen Sie denn damit?«, fragte Brooke und klang auf einmal seltsam verführerisch. Ich
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