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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Devan Sipher
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nach dem anderen zum Besten. Je länger er sprach, desto mehr trank er dabei. Je mehr er trank, desto langsamer sprach er.
    Langsam tat mir der Rücken weh. Ich war schließlich schon seit fünf Stunden hier. Als die Kellner begannen, den Jungentenbraten zu verteilen, verstand Brody den Wink (oder bekam einfach Hunger). Zeit für mich zu gehen. Ich wurde jedoch vom Klingeln eines Weinglases aufgehalten. Amy war aufgestanden.
    »Ihr wisst alle, wie ungern ich vor Publikum spreche«, sagte sie, »also werde ich mich kurz fassen.« Sie bedankte sich bei Mike, ihren Eltern und den fünfzig Gästen, die mit ihnen ausgeharrt hatten.
    »Ich möchte mich auch bei Gavin Greene bedanken, der sich dort drüben hinter einer Säule versteckt.« Ich versteckte mich nicht, sondern krümmte mich vor Scham zusammen. »Ich habe ihn in eine unmögliche Situation gebracht, und obwohl er sich eigentlich raushalten wollte, hat er mir dennoch einen sehr guten Rat gegeben. Manchmal ist Geben schwieriger als Nehmen, und er soll wissen, dass ich ihm dafür immer dankbar sein werde.«
    Sie hatte vielleicht gerade meine Karriere ruiniert. Wenn irgendjemand bei der Zeitung mitbekam, wie weit ich mich heute vom journalistischen Ehrenkodex entfernt hatte, wäre nicht nur der Artikel im Eimer, sondern auch mein Job.
    Ich hätte mich nicht einmischen dürfen. Trotzdem durchströmte mich bei Amys Worten ein warmes Gefühl. Ich fühlte mich geschmeichelt und respektiert. Mehr noch,ich war stolz. Irgendwie war es mir gelungen, genau das Richtige zu sagen, obwohl ich bis dahin nicht einmal gewusst hatte, was das Richtige überhaupt war. Vielleicht hatte ich beim Verfassen der vielen Hochzeitsartikel doch etwas über Beziehungen gelernt. Vielleicht sollte ich Mike mal ein paar Fragen beantworten und nicht umgekehrt. Die Zukunft kam mir auf einmal sehr viel weniger düster und aussichtslos vor als noch vor wenigen Stunden.
    Ich wollte gerade den Saal verlassen, da packte mich Brody am Arm, wobei er fast seinen Whiskey verschüttete. »Hey«, sagte er, »mich haben Sie noch gar nicht interviewt. Wollen Sie gar nicht wissen, was der Trauzeuge so zu sagen hat?«
    Ich war Brody bis jetzt absichtlich aus dem Weg gegangen. Er und Mike waren jedoch in Boston zusammen aufgewachsen, da hatte er vielleicht wirklich die eine oder andere interessante Anekdote für mich. Widerstrebend holte ich mein Notizbuch heraus. »Na gut. Wieso ist Amy Ihrer Meinung nach die Richtige für Mike?«
    »Wer sagt denn, dass ich das so sehe?«, fragte er zurück und nahm einen großen Schluck Whiskey. »War nur ein Witz. Ich finde sie toll. Die beiden passen super zusammen. Hoffe, sie haben heute einen wunderschönen Tag. Lange halten wird’s nämlich nicht.«
    »Wie bitte?« Ich dachte, ich hätte mich verhört.
    »Sie sollten mal eine Kolumne darüber schreiben, wie es nach der Hochzeit weitergeht, wissen Sie. Sie sollten darüber schreiben, wie es sechs Monate später aussieht. Oder sechs Jahre später.« Mir fiel auf, dass der Ringfinger seiner linken Hand einen blassen Streifen aufwies. »Das wäre wenigstens mal sinnvoll.«
    Der betrunkene, verbitterte Trauzeuge war kein Hollywood-Mythos, es gab ihn wirklich. Ich hatte gelernt, damitebenso vorsichtig umzugehen wie ein wachsamer Briefträger mit einem bissigen Hund.
    »Danke für den Tipp«, sagte ich. »Werde ich weiterleiten.« Das Interview war für mich zu Ende, aber ich hatte Sorge, dass Brody aggressiv werden würde, wenn ich meinen Notizblock einfach so zuklappte.
    »Sind Sie eigentlich verheiratet?«, fragte er. Ich antwortete nicht. Er zerrte grob an meiner Hand.
    »Aha, kein Ring!«, rief er. »Wieso schreiben Sie dann verdammt noch mal über Hochzeiten? Einfach nur aus Spaß, oder was?«
    Er hatte mich gegen eine Wand gedrängt und hielt meinen Arm über meinem Kopf fest. Ich versuchte mich zu befreien, aber er hielt meinen Arm in einem Stahlgriff und ließ nicht los.
    Ich war wieder elf Jahre alt. Ein älterer Junge hatte mir auf dem Gang den Weg abgeschnitten und ließ mich nicht zu meinem Klassenraum durch. Nein, ich war Journalist bei ›The Paper‹. Er durfte nicht so mit mir umgehen.
    »Was verstehen Sie denn schon von dem, was Mike vor sich hat?« Er ließ nicht locker. Ich würde mich jedoch auf keinen Fall auf eine Prügelei mit ihm einlassen. »Sie wissen doch überhaupt nicht, wie es ist, wenn man sein Leben mit jemandem verbringen will, und derjenige bricht einem dann das Herz. Wenn Sie über etwas

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