Jeden Tag ein Happy End
wo die Paare ohne Pomp und unter teilweise sehr seltsamen Umständen am Fließband verheiratet wurden.
Ich interviewte eine ukrainische Masseurin, die ihren achtzigjährigen Vermieter heiratete, und zwei Achtzehnjährige, die gerade die Schule abgebrochen hatten und ihr erstes Kind erwarteten. In meiner Verzweiflung entschied ich mich dann für die Teenager, weil die wenigstensBlumen dabeihatten. Die Ukrainerin hatte nur ihren echten Freund dabei.
Amy sollte nicht heiraten, nur damit ich meinen Artikel bekam, aber ich hätte wirklich nichts dagegen gehabt, dass sie ihre Meinung noch einmal änderte.
»Es sind doch so viele Gäste da«, sagte ich.
»Es sind eben so viele Gäste nicht da.« Sie drehte sich zu mir herum. Ihre Wimperntusche war verschmiert. »Meine Schwester hat die letzte Nacht auf einer Bank im O’Hare-Flughafen verbracht. Meine Lieblingstante und mein Lieblingsonkel stecken in Dallas fest. Meine Cousinen aus Philly haben vor ein paar Stunden angerufen und gesagt, dass der Interstate gesperrt ist und sie wieder nach Hause fahren. Ich glaube an Zeichen, und das hier sind mehr als genug. Das Universum hat mir die deutliche Nachricht geschickt, dass ich das nicht durchziehen sollte.«
»Wenn alle immer gleich ihre Hochzeiten absagen würden, nur weil es einen Schneesturm gibt, würde ja kaum noch jemand heiraten«, sagte ich.
»Das da draußen ist doch kein normaler Schneesturm, der hat ja wohl biblisches Ausmaß.« Soweit ich weiß, wurde Schnee in der Bibel nicht explizit erwähnt.
»Ich wollte mit Mike durchbrennen«, sagte sie. »Ich habe ihm gesagt, dass ich so eine Hochzeit nicht will, aber er hat einfach nicht auf mich gehört.«
»Haben Sie ihm das denn genau so gesagt?«
»Er hätte auf das hören sollen, was ich nicht gesagt habe, und ich habe eben nicht gesagt, dass ich hier heiraten will. Ich wollte nie so eine Riesenhochzeit. Wieso dachte er, dass mir das gefallen würde? Vielleicht kennt er mich einfach nicht gut genug, und ich kann doch keinen Mann heiraten, der mich gar nicht richtig kennt, oder?«
Ich hielt das für eine rhetorische Frage, bis ich bemerkte, dass sie mich erwartungsvoll ansah.
»Okay, nehmen wir mal an, dass Sie ihn nicht heiraten«, sagte ich.
»Werde ich auch nicht.«
»Und was dann?«
Sie schwieg. Das war schon mal gut. Es bedeutete, dass sie noch nicht alles bis zu Ende durchdacht hatte. Das hatte ich natürlich auch nicht.
»Was machen Sie heute Abend, wenn alle nach Hause gegangen sind?«, fragte ich, um Zeit zu gewinnen. »Was machen Sie morgen? Wie erklären Sie das alles Mike?«
»Ich finde es wirklich nicht in Ordnung, dass Sie mich so in die Ecke drängen. Ich dachte, Sie wären der Einzige, der mich nicht sofort unter Druck setzt.«
Ich wollte sie nicht unter Druck setzen. Das war ein ungerechter Vorwurf, und ich wies ihn zurück.
»Ich denke nicht, dass Sie ihn heiraten sollten.« Die Worte kamen aus meinem Mund, bevor ich ihnen die Starterlaubnis erteilt hatte. »Wenn Sie Mike nicht lieben und nicht den Rest Ihres Lebens mit ihm verbringen wollen, sollten Sie ihn nicht heiraten.«
»Sollte ich nicht?«, fragte sie leise.
»Nicht, wenn Sie ihn nicht lieben.« Ich ließ den Autopiloten übernehmen und war nicht ganz sicher, wo er uns hinfliegen würde.
»Aber ich liebe ihn ja«, sagte sie und klang ganz und gar nicht zufrieden damit.
»Denken Sie, er liebt Sie auch?«
»Natürlich. Sonst wäre ich ja heute nicht hier.«
»Worauf warten Sie dann noch?«, brach es aus mir heraus. Genau das waren eben meine Gedanken, nur war es natürlich ziemlich unprofessionell, ihr das so entgegenzuschleudern.Ich war kein teilnahmsloser, objektiver Beobachter mehr, ich ließ mein Herz sprechen. »Mike denkt ununterbrochen an Sie, sogar bei der Arbeit. Er sitzt in seinem Büro und starrt die ganze Zeit Ihr Foto an, voller Dankbarkeit und Liebe. Wissen Sie, wie viele Leute verzweifelt auf der Suche sind nach jemandem, der sie so ansieht?« Meine Stimme zitterte. »So eine Liebe wirft man nicht einfach weg. Jemanden zu heiraten ist keine leichte Entscheidung, ich weiß. Aber Sie haben das unglaubliche Glück, jemanden an Ihrer Seite zu haben, der die wirklich schweren Entscheidungen mit Ihnen gemeinsam trifft.«
Ich fühlte ein Stechen in der Brust. Ich musste endlich den Mund halten, wer weiß, was ich sonst noch alles sagen würde. Erschrocken stellte ich fest, dass sich meine Augen mit Tränen gefüllt hatten. Amy war hoffentlich so mit sich selbst
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