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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Devan Sipher
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willst, mach ich es eben allein.«
    »Unbezwingbar« war ein Wort, mit dem ich meine Großmutter oft beschrieb. »Dickköpfig« war ein anderes. Obwohl ich es für keine gute Idee hielt, kletterte ich auf das Bett und setzte mich Bernie sozusagen auf den Schoß. Vorsichtig, um auch ja keine Schläuche herauszureißen, griff ich unter seine Achseln, zog ihn zu mir heran und hielt seinen Kopf dabei mit den Händen fest.
    In diesem Moment fiel mir wieder ein, wann wir uns das erste Mal berührt hatten. Ich war bei meiner Großmutter über die Ferien zu Besuch, und er wollte mit uns zu »Arturo« essen gehen, einem schicken Italiener in Boca. Sie waren gerade zusammengekommen. Ich hatte großen Hunger. Als er uns abholte, rannte ich los und ließ mich auf den Rücksitz seines silbernen Mercedes plumpsen. Er drehte sich zu mir herum und gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf. »Man hält einer Lady immer die Tür auf«, sagte er, stieg aus und ging um das Auto herum zur Beifahrerseite, wo meine Großmutter stand und verschämt lächelte.
    »Sein Teint sieht schon viel besser aus«, sagte sie jetzt, während sie ihm sanft mit dem Lappen über den Nacken fuhr. »Viel frischer.« Ich fand, er sah eher grünlich aus.
    »Das ist doch prima«, sagte ich. Seine Wange berührte meine. Sie war kratzig wie Sandpapier, aber schlaff. Alswären keine Muskeln mehr darunter. Wie Wackelpudding. Wackelpudding mit Sandpapier darüber.
    Das war nicht mehr der stets tadellos gepflegte Mann, der einmal im Monat zur Maniküre ging. Im Judentum gibt es die Schiv’a, eine Trauerwoche, die man mit den Verstorbenen verbringt. Ich hatte das Gefühl, ich würde jetzt schon um Bernie trauern, wie er hier reglos in meinen Armen hing, obwohl er doch noch am Leben war.
    Ich musste daran denken, wie meine Großmutter über seine unanständigen Witze gekichert hatte, und wie sie immer kokett ein Bein anwinkelte, wenn er sie in meiner Gegenwart küsste. Ich merkte, dass ich auch um sie trauerte, um ihr jüngeres Ich und die gemeinsame Vergangenheit der beiden.
    »Was soll denn jetzt aus dir werden?«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    »Er hört dich nicht, Grandma«, sagte ich sanft. Ihre Hände glitten über seine Schulter.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe auch nicht mit ihm geredet.«

Erntezeit
    S ie stand im Mondlicht – in einem roten Sommerkleid.« Ari Oz beschrieb mir gerade den Moment, als er Roxanne Goldman zum ersten Mal gesehen hatte. Auf der Party der ›Sports Illustrated‹ anlässlich der Olympischen Spiele in Athen, am Abend vor der Abschlussfeier.
    »Es war wie ein – wie sagt man – Gemäldebild«, sagte er. Ich war ohnehin schon von Eifersuchtsanfällen geplagt, und die Exotik, die sein israelischer Akzent dem Ganzen noch verlieh, machte es nicht besser. »Ein orangefarbener Halbmond. Ein Nachtclub am Strand. Und eine große Frau mit Lippen so rot wie Granatäpfel.«
    Ich werde einsam und allein sterben.
    Seitdem ich wieder in New York war, wurde ich diesen Gedanken einfach nicht mehr los. Wie eine Leuchtreklame in meinem Kopf, die aufflackerte. Und ich hatte keinen Einfluss darauf, wann sie anging. Ich konnte mich jedoch darauf verlassen, dass es auf jeden Fall geschah, wenn mir Pärchen von ihrer ersten Begegnung vorschwärmten.
    »Sie hatte einen Martini in der Hand«, fuhr Ari fort, »und ihr Haar wehte sanft im Wind.«
    »Es war ein Gin Tonic, und meine Haare haben noch nie sanft geweht«, berichtigte ihn Roxanne, die sich bereits darüber beklagt hatte, schon immer unter ihren krausen Locken gelitten zu haben.
    Wir hatten eine Telefonkonferenz. Das gefiel mir zwar nicht besonders, aber ich durfte mich nicht beschweren. Ich hatte unseren Interviewtermin abgesagt, und Roxanne hielt sich gerade in Los Angeles und Ari in Tel Aviv auf. Die Verbindung mit seinem Handy brach immer mal wieder ab, ebenso wie meine Konzentration, während er gar nicht mehr aufhörte, ihre dichten, dunklen Korkenzieherlocken zu preisen.
    »Ich habe sie für eine Israeli gehalten«, sagte er.
    »Und ich ihn für höchstens zwölf.« Sie zog ihn gern ein wenig auf.
    Ari war zwar schmal gebaut und als typischer Turner nicht sehr groß (laut eigenen Angaben einssiebzig), bei ihrem Kennenlernen war er jedoch natürlich nicht tatsächlich zwölf gewesen, sondern vierundzwanzig. Und sie achtundzwanzig. An ihrer Hochzeit in zwei Wochen würde er siebenundzwanzig und sie einunddreißig sein. Ari wiederholte mehrmals, dass er von seinen Freunden als Letzter

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