Jeden Tag ein Happy End
ihr die Hand.
Mir drehte sich zwar der Magen um angesichts solcher Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit, aber wenn ich bei den vielen Brautpaaren danach gehen würde, wie schlecht mir beim Anblick ihrer Liebe wurde, würde ich wohl keinen einzigen Artikel zu Ende bekommen.
»Alexander spricht vier Sprachen«, erzählte sie.
»Ich habe eben eine tolle Erziehung genossen«, sagte er.
»Ihre Mutter ist bestimmt sehr stolz auf Sie«, sagte ich, ohne darüber nachzudenken.
»Oh ja, das bin ich«, antwortete Genevieve.
Heilige Mutter Gottes! Sie war seine Mutter? Ich hatte wirklich schon viele sehr seltsame Eltern kennengelernt, aber das hier grenzte an einen pathologischen Befund.
Sie gaben einander einen Eskimokuss. Uäh!
»Wir freuen uns wirklich, dass Sie über unsere Feier schreiben«, sagte sie.
UNSERE Feier? Leute, ehrlich, es gibt doch wohl echt Grenzen.
»Ja … daraus wird wohl leider nichts«, sagte ich an Alexander gewandt und trat damit meinen geplanten Rückzug an. »Im Mai finden leider immer sehr viele Hochzeiten statt. Wir bekommen jede Woche über dreihundert Anfragen.«
»Aber davon dürfte doch wohl keine so interessant sein wie diese hier«, sagte Genevieve.
Stimmt, ich schreibe aus Prinzip nur über langweilige Menschen. Ich zwang mich zu einem Lächeln.
»Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sich meine Mutter auf den Artikel gefreut hat«, sagte Alexander. »Ich enttäusche sie so ungern.«
Wieso hatte ein Mann mit einer so ungesunden Beziehung zu seiner Mutter eine Frau gefunden, die ihr Leben mit ihm verbringen wollte – und ich nicht? Ich versuchte mir seine Verlobte vorzustellen. Der vierte Teller auf dem Tisch war bestimmt für sie. Das war jetzt aber auch egal.
»Tut mir sehr leid, das entscheidet leider die Redaktion.« Zum Glück erlaubte uns Renée, sie vorzuschieben, wenn wir mal in Schwierigkeiten gerieten.
»Ihr Redakteur würde es garantiert bereuen, Alexander abzulehnen«, ließ mich Genevieve wissen.
»Mein Redakteur ist eine Redakteurin«, sagte ich und gab mir Mühe, nicht allzu verächtlich zu klingen.
»Ach, wie nett. Frauen, die arbeiten. Find ich toll.«
Mein Handy klingelte. Es war Captain Al, der gerade meine Kolumne redigierte. »Entschuldigung, da muss ich mal kurz drangehen«, sagte ich.
Ich drehte mich weg, konnte aber aufgrund des Lärms in dem Bistro kein Wort verstehen. Am liebsten wäre ich einfach gegangen, aber wenn Brooke davon erfuhr, dass ich mich so unhöflich benommen hatte, wäre der ganze Aufwand umsonst gewesen. Ich ging den Gang zu den Toiletten hinunter, drückte das Handy ans Ohr und hielt mir das andere zu.
»Deine Story hat mir gefallen«, knurrte Captain Al. Ein seltenes Kompliment. Diesen besonderen Moment hätte ich gern richtig genossen, vor allem an einem anderen Ort als vor der Herrentoilette.
»Den Anfang musst du aber noch mal überarbeiten«, fuhr er fort.
Der Herr gibt’s, der Herr nimmt’s. Wahrscheinlich störte ihn, dass ich ein Zitat verwendet hatte, wovon einem ja immer abgeraten wurde. Die Frage war, ob mir das Zitat so viel bedeutete, dass es sich lohnte, dafür zu kämpfen.
»Dödel wie wir erleben keine Hollywood-Liebesgeschichten«, hatte Roxanne Goldman gesagt.
Die Ironie dabei war, dass sie durchaus eine Liebesgeschichte à la Hollywood hatten, und ich fand es sympathisch, dass sich eine erfolgreiche Fernsehproduzentin aus Beverly Hills als Dödel bezeichnete.
»Ich finde, das macht sie dem Leser sympathisch«, sagte ich. »Es ist ungewöhnlich. Man rechnet aus ihrem Mund nicht damit.«
»Es ist unanständig.«
Das war vielleicht ein bisschen streng.
»Das Wort«, sagte er. »Dödel. Das ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für das männliche Geschlechtsorgan.«
Das sagte zwar schon seit den Neunzigern niemand mehr, aber das wäre in seinen Augen wahrscheinlich kein Argument gewesen.
»Kannst du im Wörterbuch nachschlagen, stimmt wirklich. Lass dir was Neues einfallen. Du hast eine halbe Stunde Zeit.«
»Eine halbe Stunde nur?«
»Und das ist schon großzügig. Wir machen hier in einer Stunde Schluss, damit alle zum Abteilungsmeeting können. Bis dahin muss die Kolumne fertig sein.«
Ich eilte zurück an den Tisch. Ich wollte mir nur noch schnell mein Notizbuch schnappen und mich dann verabschieden. Alexander und Genevieve gegenüber saß einedunkelhaarige junge Frau. Ich hätte sie am liebsten gewarnt, worauf sie sich da gerade einließ, aber im Moment hatte ich andere Sorgen.
»Das
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