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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Devan Sipher
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fällig.
    »Als ich hier angefangen habe, durften Frauen die Redaktion noch nicht einmal betreten. Es gab keine Redakteurinnen, an eine Redaktionsleiterin war gar nicht erst zu denken.« Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen, während ihre Raucherstimme vor Empörung noch heiserer wurde. »Wir wurden in die Damenmodeabteilung oder zu den Sekretärinnen verbannt. Es hat zehn Jahre gedauert, bis ich das erste Mal meinen Namen unter einem Artikel in einem der seriösen Teile der Zeitung sehen durfte. Und jetzt kommt diese Anfängerin mit ihren Peeptoes hier an und meint, die Zeitung bräuchte meine Mitarbeit nicht mehr. Sie konnte mir nicht mal sagen, worin meine Mitarbeit bestanden hat, sie hatte noch nicht mal einen Blick in meine Akte geworfen.« Renée tupfte sich mit dem Taschentuchknäuel die Augen und schmierte sich dabei das Blut übers ganze Gesicht.
    »Das tut mir so leid«, sagte ich. Ich hätte gern etwas Nützlicheres gesagt, aber mir fiel nichts ein. Am liebsten hätte ich sie umarmt, das wäre jedoch keine gute Idee gewesen. Sich so verletzlich vor mir zu zeigen, war eine Sache. Sie mit einer Umarmung darauf aufmerksam zu machen, dass ich mir dessen durchaus bewusst war, eine ganz andere.
    Sie holte ein weiteres Taschentuch aus der Packung und stopfte es sich in die Nasenlöcher. Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »So habe ich nicht gehen wollen.«
    Ich konnte mir die Zeitung nicht ohne sie vorstellen. Nicht nur, dass sie fast schon so lange hier arbeitete, wie es die Zeitung überhaupt gab, sie stand auch für ihre Grundwerte.Mit ihren hohen Ansprüchen sorgte sie für die Aufrechterhaltung dessen, was ihrer Meinung nach der heilige Pakt zwischen Zeitung und Leserschaft war. Wenn ›The Paper‹ eine Seele hatte, dann lag das an Renée und vielleicht an einer Handvoll anderer. Nahm man sie weg, blieb nur noch ein Gebäude mit neumodischen Fahrstühlen übrig.
    »Verschwende dein Leben nicht an die Zeitung«, sagte sie und zeigte mit ihrem dürren Finger auf mich. »Sie macht dich fertig, und am Ende frisst sie dich auf.« Sie wirkte nicht mehr wie die angriffslustige Journalistin, als die ich sie kannte, sondern eher wie eine Prophetin aus dem Alten Testament. Sie erhob sich unsicher.
    »Renée, sollten wir nicht vielleicht zum Arzt mit dir?«, fragte ich, von ihrer Warnung gleichermaßen erschüttert wie von ihrem Schwanken.
    Sie schüttelte traurig den Kopf. »Weißt du, was das Problem ist? Wenn du eine Zeitung liebst, wird deine Liebe niemals erwidert.«
    Renées Worte gingen mir immer noch durch den Kopf, als ich den Taxifahrer bezahlte und auf das elegante Stadthaus zueilte. Ich hatte nur ein Ziel: Melinda zu finden. Ich hatte keine Ahnung, was ich ihr sagen sollte, also versuchte ich, mir einfach Mut zu machen. So stand es auch in den Beziehungsratgebern: Ich war gut genug für sie und auch schlau genug, und ich sollte meine Chancen bei ihr nutzen, solange ich noch einen Job hatte. Ein älterer Wachmann stand vor der massiven, mit Schnitzereien verzierten Holztür und rauchte lässig eine Zigarre.
    »Wo brennt’s denn?«, fragte er, als ich ihm die Treppe hinauf entgegengestürmt kam.
    »Bin ein bisschen spät dran«, sagte ich und wollte mich an ihm vorbeischieben.
    »Die Party hat um acht angefangen«, antwortete er. »Um viertel nach acht wären Sie ein bisschen spät dran gewesen. Jetzt, um halb zehn, sind Sie eher zu früh dran – für Thanksgiving.« Ein Scherzkeks also. So was hatte mir gerade noch gefehlt. Und er wich keinen Millimeter zur Seite.
    »›The Paper‹«, sagte ich nur und zog meinen Notizblock aus der Tasche.
    »Ich dachte, heutzutage wird alles online gemacht«, sagte er und nahm einen Zug von seiner Zigarre. »Sind Sie sicher, dass Sie wirklich Reporter sind?«
    »Das steht zumindest auf meiner Gehaltsabrechnung, ja.« Langsam wurde ich ungeduldig.
    »Na dann arbeiten Sie ja wohl kaum für ›The Paper‹, die haben doch gar kein Geld mehr, um ihre Leute zu bezahlen«, lachte er. Er genoss es offensichtlich sehr, sich über mich lustig zu machen, und wollte mich partout nicht hineinlassen. Er war etwa Anfang siebzig, hatte beeindruckend volles, weißes Haar und stand da wie ein Ex-Preisboxer, der zeigen wollte, dass er es immer noch draufhatte. »Ist die Zeitung jetzt schon so weit gesunken, dass sie wie alle anderen Klatschblätter über die Partys der Reichen und Schönen berichtet, oder was?«
    »Nur, wenn die Leute wirklich schön reich sind«, gab ich

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