Jeden Tag ein Happy End
stellte mir Melinda in einem weißen Seidenkleid vor. »Ja.«
»Hast du völlig den Verstand verloren?«, fragte Hope. Ich nahm mal an, dass das eine rhetorische Frage sein sollte.
»Ich wäre so was wie ein Embedded Journalist, total integriert ins Geschehen«, versuchte ich sie für meine Idee zu begeistern.
»Du willst in ihr Bett, darum geht’s doch«, wies sie mich scharf zurecht, während sie mit einem blubbernden Soßentopf auf ihrem schicken Induktionsherd hantierte.
»Tucker gefällt die Idee.« Ich wusste gar nicht, wieso ich mich hier überhaupt rechtfertigte. Ich schrieb Hope ja schließlich auch nicht vor, wie sie jemandem den Finger wieder anzunähen hatte.
»Tucker weiß aber nicht, dass du auf die Frau stehst, mit der du das Interview führen sollst.« Hope hatte schlechte Laune, weil A. J. zu spät zu unserem Essen kam. Sie hatte mir zwar gesagt, es würde nur ein zwangloses Treffen sein, die Blätterteigpastetchen mit Birnen-Ziegenkäse-Füllung sprachen eine andere Sprache.
»Das ist ja wohl nicht das erste Mal, dass ich über eine Frau schreiben muss, die ich auch attraktiv finde.« Ich dippte ein Stück Staudensellerie in die selbst gemachte Salsa.
»Es besteht aber ein großer Unterschied darin, jemanden ganz süß zu finden und mit der Braut am liebsten durchbrennen zu wollen.«
Zugegeben, ich hatte schon mehrmals davon geträumt, mir Melinda auf dem Weg zum Altar einfach zu schnappen und sie – wie ein heldenhafter Feuerwehrmann – hinaus zu dem wartenden Taxi zu tragen. Aber ich konnte Traum und Realität immer noch sehr gut auseinanderhalten. In meinen Träumen war ich nämlich ein ganzes Stückchen größer.
»Du solltest wirklich nicht über Melinda schreiben. Es ist total unprofessionell und auch nicht gut für dich.« Hope hatte zwar irgendwie recht, aber ich hatte keine Lust, das zuzugeben. »Ich rufe jetzt deinen Bruder an. Vielleicht kann der dich zur Vernunft bringen.«
»Gary wäre garantiert auf meiner Seite«, sagte ich.
»Wenn er erfährt, dass du einer verheirateten Frau hinterherrennen willst?«
»Sie ist nicht verheiratet.«
»Sie ist verlobt!«
»Mit einem Freak!«
»Hast du mal darüber nachgedacht, dass du da vielleicht nicht ganz objektiv in deinem Urteil bist?«
Ehrlich gesagt war mir dieser Gedanke noch nicht gekommen. Ich lobte mich gerne für meine vorzügliche Objektivität. »Wenn ich das Gefühl hätte, Alexander wäre der Richtige für Melinda, würde ich die beiden in Ruhe lassen und ihnen alles Gute für die gemeinsame Zukunft wünschen.«
»Schwachsinn.«
Hope fluchte selten. Ich bekam gerade ihren Ärger darüber ab, dass A. J. Mist gebaut hatte. Er hätte um acht hier sein sollen. Mittlerweile war es fast neun. Sowohl aus den Ziegenkäsepasteten wie aus dem ganzen Abend war langsam die Luft raus.
»Wenn ich falsch liege, was ihn betrifft, werden sie in der ersten Maiwoche verheiratet sein«, sagte ich. Ich erwähnte nicht, dass ich eine polizeiliche Überprüfung von Alexander in Auftrag gegeben hatte. Das machten wir immer so – zumindest bei vorbestraften Verdächtigen und Kriegsverbrechern.
Das Telefon klingelte, und Hope ging im Schlafzimmer dran. Ich rührte die Granatapfelsoße für das Hühnchen um, das immer noch im Ofen brutzelte (beziehungsweise mittlerweile austrocknete). Ich überlegte, ob Hope recht hatte, wohl wissend, dass es so war. Ich wog die Vor- und Nachteile meiner Situation gegeneinander ab und versuchte, dabei überhaupt auf ein paar Vorteile zu kommen.
»A. J. hat heute Bereitschaftsdienst in der Klinik«, sagte Hope, High Heels und Glitzerohrringe fehlten inzwischen. »Hab ich dir schon mal erzählt, dass er für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet hat?«
Schon siebenunddreißig Mal, und das war sicher nicht das letzte Mal. Ich kostete die Soße.
»Er ist ein verständnisvoller, lieber Mensch«, sagte sie, klang dabei jedoch selbst nicht ganz überzeugt. »Wieso hat er mir dann bis vor fünf Minuten nichts davon gesagt, dass er heute Abend Bereitschaftsdienst hat? Ich versteh ihn nicht. Ich verstehe Männer generell nicht. Wieso seid ihr so?«
Ich habe mich noch nie als Repräsentant der gesamten Männerwelt gesehen, und am allerwenigsten tat ich das in diesem Moment, am Herd stehend, in Töpfen rührend und damit beschäftigt, mir nicht den Mund an einer kulinarischen Köstlichkeit zu verbrennen. »Hey, ich war pünktlich«, entgegnete ich.
»Hinter männlichem Verhalten steckt einfach keine Logik. Immer wenn
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