Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
Entzug.
Wenn du fort bist, ist nun mal das Leben
nicht von deinem Zauber koloriert
und auch du würdest jetzt alles geben,
was dich fort vom Fortsein zu mir führt.
Schlaflied
Schlaf ein, mein Kind, und sei nicht bang
und träum von stolzen Pferden,
sie kennen schon den Übergang
und jagen mit dir den Himmel entlang,
die weißen Sternenherden.
Schlaf ein, mein Kind, und fürchte nicht
Gespenster und Dämonen,
sie haben selber kein Gesicht
und scheuen deines Herzens Licht,
sie müssen dich verschonen.
Schlaf ein, mein Kind, die Welt wird kahl,
sie trägt schon Wintersachen,
da hilft kein Mantel und kein Schal,
es rettet sie aus ihrer Qual
nur noch dein liebes Lachen.
Schlaf ein, mein Kind, weih deinen Mund
nur jenen Melodien,
die einen schweben lassen und
dich selbst noch aus der Hölle Schlund
bis in den Himmel ziehen.
Stürmische Zeiten, mein Schatz
Stürmische Zeiten, mein Schatz, Hochzeit der Falken,
und um die Insel unserer Liebe giftet ein Sturm.
Lieder und Verse sind am Verkalken.
Die Hunde winseln. Seher fallen vom Turm.
Die Minister scharwenzeln verschleimt um die möglichen Sieger,
die Bürger fordern Ordnung und Zucht.
Denn Schuld sind wie immer die andern. Die Überflieger
ergreifen auf ihren Mantras schwebend die Flucht.
Unruhige Zeiten, mein Schatz, wo doch alles so klar war,
vierzig Jahre geregeltes Sein,
wo nach außen fast jeder Fürst oder Zar war,
und jetzt bricht dieses Weltbildgebäude so kläglich ein.
Ach, wer auf Häuser baut, den schreckt jedes Beben.
Wer sich den Banken verschreibt, den versklavt ihre Macht.
Wer seinem Staat vertraut, der muss damit leben,
dass was heute noch Recht ist, oft Unrecht wird über Nacht.
Aber dennoch nicht verzagen,
überstehn,
Leben ist Brückenschlagen
über Ströme, die vergehn.
Stürmische Zeiten, mein Schatz, doch oft tragen die Stürme
Botschaften fernerer Himmel in unsere Welt,
und es ist immer der Hochmut der prächtigsten Türme,
der allem voran in Staub und Asche zerfällt.
Es scheint fast, als drehte die Erde sich ein wenig schneller,
die Starrköpfigsten schielen wieder mal auf den Thron.
Jetzt rächen sich wohl die zu lange zu vollen Teller,
und manchem bleibt nur noch der Schlaf und die Träume des Mohn.
Unruhige Zeiten, mein Schatz, gut, dass fast immer
unsere Liebe in wilder Bewegung war,
mal ein Palast, oft nur ein schäbiges Zimmer,
schmerzvoll lebendig, doch immer wunderbar.
Und dennoch nicht verzagen,
überstehn,
Leben ist Brückenschlagen
über Ströme, die vergehn.
Mit Dank an Gottfried Benn für die Leihgabe
Für meinen Vater
Niemals Applaus, kein Baden in der Menge.
Und Lob, das nur vom kleinsten Kreise kam.
Und das bei einer Stimme, die die Enge
des Raumes sprengte, uns den Atem nahm.
Dein »Nessun’ dorma« war von einer Reinheit,
die nur den Allergrößten so gelang.
Du blühtest nur für uns. Der Allgemeinheit
entzog das Schicksal dich ein Leben lang.
Und trotzdem nie verbittert, keine Klage,
du sagtest einfach, deine Sterne stehn nicht gut.
Doch gaben dir dieselben Sterne ohne Frage
die Kraft zur Weisheit und unendlich Mut.
Mir flog das zu, was dir verwehrt geblieben,
du hattest Größe und ich hatte Glück.
Du hast gemalt, gesungen, hast ein Buch geschrieben
und zogst dich in dich selbst zurück.
Du hast die Liebe zur Musik in mir geweckt
und ohne dich wär ich unendlich arm geblieben.
Du bliebst verkannt und hast dich still entdeckt,
ich war umjubelt und ich hab mich aufgerieben.
Das, was ich heute andern geben kann,
wäre nicht denkbar ohne dich.
Es ist dein unbeachteter Gesang,
der in mir klingt und nie mehr von mir wich.
Und meistens sagt man erst zum Schluss,
was man verdeckt in tausend Varianten schrieb:
Wenn ich an meinen Vater denken muss,
dann denk ich stets – ach Gott, hab ich ihn lieb.
Jetzt, da du Abschied bist
Jetzt, da du Abschied bist, nicht mehr Beginn,
verzehr ich mich nach dir wie nie zuvor,
entdeckt sich unsrer Liebe wahrer Sinn
und dass ich, was ich nie besaß, verlor,
jetzt da du Abschied bist, nicht mehr Beginn.
Dass immer erst ein Schrecken uns besinnt
und erst beim Abschiednehmen Tränen fließen,
und dass die Zeit so unser Leben weiterspinnt,
dass man nicht halten kann und kaum genießen
was flüchtig Wunder war und stets entrinnt.
Dass man die Liebe stets aufs Neue lernen muss
und immer nach dem
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