Jeder Kuss ein Treffer
habe?«
»Nein.«
»Wieso sind Sie da so sicher?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie jemanden töten, und schon gar nicht, dass Sie eine Leiche über den Hof schleppen und vergraben.« Wes lächelte, damit Annie sich entspannte. »Sie sind doch ein schmales Handtuch«
»Ich habe mehr Kraft, als man auf den ersten Blick sieht.«
»Dann darf ich mich nicht von Ihnen zum Armdrücken verleiten lassen. Ich verliere nicht gerne gegen Frauen, schon gar nicht gegen solche halben Portionen wie Sie.«
Annie merkte, dass er versuchte, sie aufzuheitern. »Meine Schwiegermutter glaubt, dass ich hinter Charles‘ Verschwinden stecke. Wahrscheinlich wird sie Lamar so lange bearbeiten, bis er mich verhaftet.«
»Haben Sie sich nicht gut mit ihr verstanden?«
»Nein, obwohl ich alles versucht habe. Ich glaube, sie war schlichtweg eifersüchtig. Wenn Charles sich nicht täglich bei ihr meldete, war sie eingeschnappt. Später war sie genauso ärgerlich wie Charles, als ich mich weigerte, das Haus zu verkaufen.«
Die Tür quietschte. Annie schaute auf. Danny spähte herein, sein Blick streifte Wes, dann sah er Annie an. »Wie sieht‘s aus, Kumpel?«
Annie lächelte. »Ich hänge hier rum.« Das schien für Wes das Stichwort zu sein, sich zu verabschieden. »Wenn ich irgendwas tun kann, sagen Sie bitte einfach Bescheid.«
»Danke.«
Danny trat zur Seite, damit Wes das Zimmer verlassen konnte. Annie schwang die Beine über die Bettkante. »Ich muss aufstehen und mit dem Abendessen anfangen.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich habe schon ein paar große Pizzen bestellt. Die kommen pünktlich zum Abendessen.«
Annie konnte ihre Erleichterung nicht verhehlen. »Was würde ich nur ohne dich tun?«
»Das sage ich ja auch immer. Jetzt wasch dir das Gesicht und komm mit nach unten. Alle machen sich Sorgen um dich.«
»Was ist denn mit meinem Gesicht?«
»Deine Augen sind ganz verquollen und mit Wimperntusche verschmiert. Du siehst wirklich furchtbar aus.«
Annie verzog das Gesicht. Mein Gott, Wes Bridges hatte sie in diesem Zustand gesehen und nichts dazu gesagt. »Oh je, danke«, murmelte sie.
»Ich bin wenigstens ehrlich.«
Annie nickte. Das stimmte auf jeden Fall. Danny war der Einzige gewesen, der ihr die Wahrheit gesagt hatte, als er Charles des Fremdgehens verdächtigte. Die meisten hatten nichts mit den Eheproblemen anderer Leute zu tun haben wollen, nur Danny war der Meinung gewesen, Annie sollte Bescheid wissen.
»Ich komme gleich runter«, sagte sie.
Danny wollte gehen und drehte sich noch einmal um. »Annie, ich will mich ja nicht in deine Angelegenheiten einmischen, aber …« Er hielt inne. Als Annie fragend aufsah, fuhr er fort: »Es ist wegen Wes. Ich traue ihm nicht so recht über den Weg. Sei vorsichtig, ja?«
Es wurde schon dunkel, als Wes sein Motorrad vor dem Haus von Eve Fortenberry parkte. In einem abgetragenen Kleid und Pantoffeln stand sie in der Tür, eine Zigarette in der Hand. Sie warf einen Blick auf sein Gesicht und trat zurück, so als wüsste sie bereits, dass ihr etwas Unangenehmes bevorstand. »Was ist?«
»Wir haben Ihren Sohn gefunden.«
»Und?« Ihre Augen waren kalt und hart; sie forderten ihn auf, ihr die schlechte Nachricht mitzuteilen.
»Es tut mir leid, Eve.«
Voller Schmerz verzog sie das Gesicht. »Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. Sie legte die Hand auf den Mund. Wes betrat das Haus und schloss die Tür hinter sich.
Am nächsten Morgen kehrte Erdle nach Hause zurück. Als sein Wagen in die Auffahrt einbog, trat Annie vor die Tür. »Ich muss mit dir reden.«
»Sie wollen mich rauswerfen.«
Annie fand, er klang überraschend nüchtern. »Im Moment nicht. Es ist etwas Schlimmes passiert.« Sie teilte ihm die Neuigkeiten mit und schloss dann:
»Lamar Tevis hat mich in Verdacht.«
Erdle seufzte. »Dann stehe ich wahrscheinlich auch auf seiner Liste«, sagte er.
»Jeder weiß, dass mir dieser Kerl keinen Pfifferling wert war.«
»Du warst damals ja gar nicht hier. Du hast ein wasserdichtes Alibi.«
»Ach ja, habe ich ganz vergessen. Es kommt mir vor, als wäre das schon zehn Jahre her. Aber Sie hatten doch auch ein Alibi! Sie waren bei Ihrer Mutter in Atlanta, nicht wahr?«
Annie antwortete nicht.
»Dieses Haus ist wirklich sonderbar«, verkündete Destiny zwei Tage später in der Küche, wo sie sich zu Annie, Theenie und Lovelle gesellte.
»Da hast du recht«, bestätigte Lovelle. »Es gibt nicht viele Häuser, wo man eine Leiche im Garten
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