Jeder Kuss ein Treffer
findet.«
»Müssen wir darüber beim Frühstück sprechen?«, fragte Theenie. »Und dann auch noch in Gegenwart von Annie?«
»Mir geht‘s gut«, sagte Annie und starrte in ihre Kaffeetasse. Aber sie sah nicht gut aus. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. Seit man Charles‘ sterbliche Überreste gefunden hatte, hatte sie kaum etwas zu sich genommen.
»Ich schätze, inzwischen weiß jeder in der Stadt Bescheid«, sagte sie und wies mit dem Kinn auf die gefaltete Zeitung neben ihrer Tasse. Die Schlagzeilen verkündeten den Fund in großen Lettern. Jamie hatte schon vorher angerufen, um sich dafür zu entschuldigen, aber Annie machte ihr keine Vorwürfe; Nachrichten zu bringen war Jamies Aufgabe.
Annie verdrängte den Gedanken und sah Destiny an. »Was ist?«
»Mir fehlt Unterwäsche.«
»Ach, du liebes bisschen«, sagte Theenie. »Aber ich weiß, wer es gewesen ist«, beeilte sich Destiny zu sagen.
»Ach, du liebes bisschen«, wiederholte Theenie.
»Könntest du vielleicht mal damit aufhören?« fragte Lovelle.
»Du hörst dich an wie eine kaputte Schallplatte.« Sie beugte sich zu Destiny vor. »Was glaubst du denn, wer deine Unterwäsche genommen hat?«
»Der Geist, und zwar um mich auf sich aufmerksam zu machen. Das tun die Toten immer.«
Annie sah die Angst in Theenies Augen. »Es gibt bestimmt eine ganz vernünftige Erklärung dafür«, sagte sie.
Destiny studierte Annie genau. »Du leugnest es einfach. In diesem Haus spukt es, und der Geist hat sich an mich gehängt, aber du willst nichts davon hören.«
Lovelle beugte sich noch weiter zu Destiny vor. »Wir sprechen eigentlich nicht darüber.«
»Ah, verstehe schon«, sagte Destiny zu Annie. »Du hast Angst, dass es schlecht fürs Geschäft ist, deshalb willst du es unter den Teppich kehren. Und es gibt noch andere Dinge in diesem Haus, auf die du nicht gerade stolz bist. Glaubst du, die Leute wissen nicht längst Bescheid? Spüren es längst? Das liegt hier doch in der Luft…« Sie dachte nach. »Das ist wie ein sexueller Sog.«
Drei Augenpaare richteten sich auf sie, aber niemand sagte etwas.
»Ich weiß verdammt genau, dass ich nicht die Einzige bin, die das spürt«, sagte Destiny.
Lovelle beugte sich vor. »Ich habe das noch niemandem erzählt, aber seit ich hier eingezogen bin, habe ich ganz schön viele heiße Träume.«
Theenie nagte an ihrer Unterlippe. »Ahm, ich muss zugeben, dass ich sehr oft von Clark Gable träume.«
»Ist er nackt?«, fragte Lovelle.
»Natürlich nicht! Mr. Gable ist ein Gentleman. Wir haben uns lediglich ein paarmal geküsst.«
Nachdenklich trank Annie ihren Kaffee. Sie wollte auf keinen Fall zugeben, dass ihr Sexualtrieb auf Hochtouren lief. Und natürlich hatte auch sie so manchen pikanten Traum gehabt. Sie schaute auf und merkte, dass die anderen sie beobachteten. Annie zuckte mit den Achseln. »Ich enttäusche euch ja nicht gerne, aber ich bin so kaputt, wenn ich abends ins Bett gehe, dass ich es nur noch so gerade schaffe, mir die Zähne zu putzen.«
Destiny warf Annie ein Lächeln zu, das besagte, sie wisse es besser.
»Es tut mir leid, dass dir etwas abhanden gekommen ist«, sagte Annie zu ihr, »es taucht bestimmt wieder auf.« Sie seufzte erschöpft.
»Annie, mein Schatz, stimmt was nicht?«, fragte Theenie. »Ich merke immer, wenn dich etwas bedrückt.«
»Ich bin nur sauer, mehr nicht. Heute Morgen standen zwei Typen vom örtlichen Fernsehsender vor der Tür und hielten mir ein Mikrofon ins Gesicht. Ich war noch im Bademantel.«
»Und bestimmt auch nicht geschminkt«, vermutete Destiny.
Annie nickte. »Und gestern habe ich zwei Frauen erwischt, die hinter dem Haus herumschnüffelten und das Grab suchten. Außerdem fahren plötzlich so viele Autos vorbei, weil die Leute die Frau sehen wollen, die angeblich ihren Mann ermordet und seine Leiche hinterm Haus vergraben hat.«
Theenie beugte sich vor und legte ihre Hand auf Annies. »Vielleicht hätte ich dein Nudelholz doch nicht verstecken sollen.«
»Und zu allem Überfluss rief gestern Abend eine Frau von der Red Hat Society an. Sie hat das Mittagessen für heute abgesagt.«
»Aber du hast das Essen doch schon fast vollständig vorbereitet«, warf Lovelle ein.
»Einen Teil davon kann ich einfrieren«, sagte Annie.
»Hat sie auch den Grund für die Absage genannt?«, fragte Theenie.
»War nicht nötig. Ich wusste genau, dass es so kommen würde. Es ist schon schlimm genug, dass die Leute es in der Zeitung lesen und in den Nachrichten
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