Jeder Kuss ein Treffer
ihres Sohnes findet?«
»Ich könnte zehntausend Riesen gut gebrauchen«, sagte Annie zu sich selbst.
Lamar legte sich die Hand auf die Stirn. »Ich werde Tag und Nacht von Fernseh- und Zeitungsreportern gejagt, Spinner rufen an und sagen, Charles‘ Leiche sei von Aliens entführt worden, und jetzt will CNN eine Sondersendung über mich machen. Sie wollen nicht mehr ausschließlich über Großstadtverbrechen berichten. Sie bevorzugen jetzt Herz-Schmerz-Geschichten über Kleinstädte mit niedriger Kriminalitätsrate, nur machen wir darin nicht die beste Figur, weil jeder glaubt, dass Sie Ihren Mann umgebracht und hinter dem Haus verscharrt haben. Genau der kaltherzige Großstadtmist, den CNN nicht mehr haben will. Scheiße, wenn das doch alles nie passiert wäre!«
Annie ließ sich auf einen Stuhl sinken und schlug die Hände vors Gesicht. Lamar lehnte seine Angelrute gegen die Wand und ging auf und ab. Annie fragte sich, ob Lamar schon überlegt hatte, zusätzliche Mitarbeiter bei den Ermittlungen einzuspannen, ob er überhaupt einmal über die Ermittlungen nachgedacht hatte. Sie seufzte. »Wie sieht Ihr Plan aus?«
»Ich lasse das alles von meinem Agenten verhandeln.«
Annie sah auf. »Was?«
»Die Sache mit CNN. Wenn die mich wirklich wollen, sollen sie um mich kämpfen. Das ist nicht der einzige Sender hier; schon klar, oder?«
Annie schaute ihn nur an und sah seine Pistole. Sie fragte sich, ob sie mit scharfen Patronen geladen war. »Ich würde Erdle jetzt gerne mit nach Hause nehmen.«
Lamar zuckte mit den Achseln. »Meinetwegen. Er hat so einen dicken Kater, dass er gar nicht richtig denken kann, und ihm geht‘s viel zu schlecht, als dass er sich aus dem Staub machen würde. Wenn sich sein Magen beruhigt hat, vernehme ich ihn.«
Zehn Minuten später folgte ein langsamer Erdle Annie zu ihrem Auto.
»Bist du völlig verrückt geworden?«, schalt sie ihn, als er sich neben sie auf den Beifahrersitz setzte.
»Schreien Sie mich bitte nicht an!«, sagte er und lehnte den Kopf an die Fensterscheibe. »Ich hatte einen saumäßigen Tag. Glaube ich.«
»Und es wird noch viel schlimmer, wenn du im Knast landest, weil du ein Verbrechen gestehst, das du gar nicht begangen hast. Auch wenn ich natürlich zu schätzen weiß, was du damit bezwecken wolltest«, fügte sie hinzu.
»Woher wollen Sie wissen, dass ich es nicht war? Ich hatte genauso viel Gelegenheit dazu wie Sie. Und Charles habe ich nie gemocht.«
»Tu mir bitte einen Gefallen und hör auf, mir zu helfen, ja? Ich habe schon genug Ärger am Hals.«
»Was meinst du, wie hält Annie sich?«, fragte Jamie Destiny, als sie ins Büro kam, um ihre Post abzuholen.
Destiny zuckte mit den Schultern. »So gut, wie man erwarten kann, wenn die halbe Stadt glaubt, sie hätte ihren Mann ermordet.« Sie schaute Max an. »Es hat ihr viel bedeutet, dass du einen Anwalt für sie besorgt hast.« Destiny hielt inne und sah zur Tür hinüber. »Steh doch nicht einfach so herum.« Sie wies auf das Sofa.
Max und Jamie folgten Destinys Blick. »Soll das heißen, dein Geist ist auch hier?«, fragte Max.
»Als ob ich noch eine Wahl hätte! Aber ich werde dieses Problem ein für alle Mal lösen. In einer Stunde haben wir einen Termin beim Therapeuten.«
Max und Jamie tauschten einen Blick aus.
»Warte mal, Destiny«, sagte Jamie. »Nur dass ich richtig verstehe: Du willst tatsächlich mit einem Geist, einem Wesen, das außer dir keiner sehen kann, zum Psychologen gehen? Hältst du das für klug?«
»Der Geist braucht Hilfe. Ich kann nicht einfach herumstehen und nichts tun.«
»Was für Hilfe braucht sie denn?«, fragte Max.
»Meiner Meinung nach leidet sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung.«
Max nickte, als sei das die normalste Sache der Welt. »Wahrscheinlich ist der Gedanke total abwegig, aber was ist, wenn der Therapeut dir nicht glaubt?«
»Der glaubt mir. Ich meine, wer würde sonst so etwas zugeben? Das muss doch einfach wahr sein.«
»Vielleicht ein Mensch mit Wahnvorstellungen?«, schlug Jamie vor. Destiny schaute zum Sofa hinüber. »Da brauchst du gar nicht den Kopf zu schütteln. Wir haben schon darüber gesprochen, und du warst einverstanden.« An Max und Jamie gewandt, sagte sie: »Ob ihr es glaubt oder nicht: Die meisten meiner Freunde, wenn nicht sogar alle, sind seit Jahren in Therapie. Vertraut mir. Ich weiß, was ich tue.«
»Darf ich mir mal zehn Minuten lang deine Muskeln leihen?« , fragte Annie Wes, als er von seinem Ausflug
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