Jeder Kuss ein Treffer
verloren.« Lamar nahm die Füße vom Tisch. »Hey, der ist hübsch«, sagte er, griff nach dem Ohrring und unterzog ihn einer eingehenden Musterung. »Sind das echte Diamanten?«
»Ja. Habe ich eben beim Juwelier unten an der Straße überprüfen lassen. Das ist ein einkarätiger Saphir, und die Diamanten haben auch ein Karat. Alles hochwertige Edelsteine.«
»Jetzt bin ich verwirrt«, meinte Lamar. »Was hat das mit allem anderen zu tun?«
»Es bedeutet, dass Donna Schaefer während Annies Abwesenheit im Haus war.«
»Ist sie nur dieses eine Mal bei Charles zu Hause gewesen?«
»Mrs. Schaefer war Weihnachten zu Besuch, Monate vor Charles‘ Verschwinden. Zu dem Weihnachtsfest bekam sie von ihrem Mann diese Ohrringe. Annie meinte, sie hätten Donna so gut gefallen, dass sie sie gar nicht mehr ablegte. Sie wollte zusammen mit Charles durchbrennen, aber er versetzte sie.«
Lamar griff nach einem Notizblock und schrieb sich etwas auf.
»Dies ist meine Theorie«, erklärte Wes, »auch wenn Mrs. Schaefer das bestreitet: Ich glaube, dass sie sehr wütend wurde, als Charles nicht wie geplant bei ihr vorbeikam, um sie abzuholen. Sie fuhr zu ihm, um ihn zur Rede zu stellen. Es entwickelte sich ein heftiger Streit, Charles wurde handgreiflich.«
»Was glauben Sie, warum änderte Fortenberry seine Meinung?«
»Vielleicht hatte er in der Zwischenzeit schon wieder eine andere kennengelernt. Er war dafür bekannt, seine Frau zu betrügen.«
»Wusste Mrs. Schaefers Ehemann von der Affäre?«
»Ich habe Informationen, die das nahelegen.«
»Gut«, sagte Lamar und kratzte sich den Kopf, als falle es ihm schwer, das alles zu verstehen. »Hört sich an, als wären Sie da auf etwas gestoßen. Wenn es Sie nicht stört, würde ich das gerne überprüfen und noch mal von vorne anfangen. Nur damit ich alles klar auf dem Tisch liegen habe.«
»Kein Problem.«
»Woher um alles in der Welt haben Sie überhaupt diese Information?«, wollte Lamar wissen.
»Aus einer sehr verlässlichen Quelle.«
Annie und Theenie schlüpften durch die Tür der Baptistenkirche an der River Road und setzten sich in die letzte Reihe. Einige drehten sich zu ihnen um. Annie war unsicher, ob ihre Riesensonnenbrille sie so gut tarnte, wie sie hoffte. Unter normalen Umständen hätte sie vorne bei der näheren Verwandtschaft gesessen, aber die Umstände waren alles andere als normal.
Eve Fortenberry schritt in die Kirche. Der Schmerz war in die tiefen Falten zu beiden Seiten ihres Mundes geschrieben. Die Last ließ ihre Schultern zusammenfallen. Annie hatte Mitleid mit dieser Frau, auch wenn sie sie nie richtig im Schöße der Familie willkommen geheißen hatte. Dennoch hatte Annie alles versucht, Charles eine gute Ehefrau zu sein.
Auf dem Tisch vor dem Altar stand ein Bild von Charles: jung, hübsch, lächelnd. Der Anblick schmerzte Annie.
Als spürte Theenie Annies tiefe Traurigkeit, legte sie eine Hand auf die ihrer Freundin. Annie war froh, dass Theenie sich nicht hatte ausreden lassen, den Gottesdienst mit ihr zu besuchen. Sie sah sich in der Kirche um und entdeckte Norm Schaefer. Er saß auf der anderen Seite des Ganges und starrte sie an. Er wirkte wütend; Annie nahm an, dass er schon vernommen worden war. Schaefer war allein. Donna war offenbar nicht mitgekommen.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Theenie und unterbrach Annies Gedanken.
Sie schaute auf. Jamie und Max standen am Ende der Bank. Sie machte Platz für die beiden. »Danke, dass ihr gekommen seid«, flüsterte sie erleichtert, zwei Freunde unter all den Fremden zu sehen.
Jamie griff an Theenie vorbei nach Annies Hand. »Wir dachten, du könntest ein bisschen moralische Unterstützung gebrauchen, aber wir müssen los, sobald der Gottesdienst vorbei ist. Mehrere Mitarbeiter liegen mit Grippe im Bett, wir müssen für sie einspringen.«
Annie lächelte dankbar und nickte. Eine Frau begann, »Amazing Grace« zu singen. Danach schritten verschiedene Personen nach vorne und erzählten von zu Herzen gehenden und manchmal auch lustigen Begebenheiten, die sie mit Charles erlebt hatten. Annie stellte fest, dass sie gelegentlich schmunzeln musste. Diese Seite ihres Mannes hatte sie ganz vergessen.
Als der Gottesdienst vorbei war, arbeitete sich Annie zu Eve vor in der Hoffnung, sie noch zu erreichen, bevor sie in den Wagen geschoben wurde, den das Beerdigungsinstitut für sie bereitgestellt hatte. Vorsichtig strich sie Eve über die Schulter, die Frau drehte sich um. Offenbar war sie so in
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