Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)
Kindern die Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen und etwas Neues auszuprobieren, umso größer, je sicherer sie sind und je größer das Vertrauen ist, mit dem sie sich in die Welt hineinwagen. Das Schlimmste, was einem Kind passieren kann, ist der Verlust dieses Vertrauens.
Jede Art von Verunsicherung, von Angst und Druck erzeugt in ihrem Gehirn eine sich ausbreitende Unruhe und Erregung. Unter diesen Bedingungen können die dort über die Sinneskanäle eintreffenden Wahrnehmungsmuster nicht mit den bereits abgespeicherten Erinnerungen abgeglichen werden. Es kann nichts Neues gelernt und im Gehirn verankert werden. Oft werden die Erregung und das damit einhergehende Durcheinander im Kopf sogar so groß, dass auch bereits Erlerntes nicht mehr erinnert und genutzt werden kann. Das Einzige, was dann noch funktioniert, sind ältere, sehr früh entwickelte und sehr fest eingefahrene Denkweisen und Verhaltensmuster. Das Kind fällt zurück in solche Verhaltensweisen, die immer dann aktiviert werden, wenn es anders nicht mehr weitergeht: Angriff (schreien, schlagen), Verteidigung (nichts mehr hören, sehen, wahrnehmen wollen, stur bleiben, Verbündete suchen) oder Rückzug (Unterwerfung, Verkriechen, Kontaktabbruch). Jedes Kind verliert so seine Offenheit, seine Neugier und sein Vertrauen– und damit die Fähigkeit, sich auf Neues einzulassen. Dieser Zustand ist für Kinder genauso schwer auszuhalten wie für Erwachsene. Auch schon die ganz Kleinen fühlen sich dann ohnmächtig und beschämt und reagieren mit Wut, Zorn oder mit Resignation auf die erlebte Enttäuschung.
Die Gefahr, in solche Situationen zu geraten, lässt sich nur abwenden, wenn Kindern ausreichend Gelegenheit geboten wird, genau das wiederzufinden, was sie mehr als alles andere brauchen, um sich mit anderen Menschen und dem, was sie in der Welt erleben, in Beziehung zu setzen: Vertrauen. Kein anderes Gefühl ist besser geeignet, das Durcheinander im Kopf zu ordnen und die zum Lernen erforderliche Offenheit und innere Ruhe wiederherzustellen. Deshalb suchen alle Kinder ganz allein und von sich aus enge Beziehungen zu solchen Menschen, die ihnen Sicherheit bieten und ihnen bei der Lösung von Problemen behilflich sind. Die ihnen nicht nur sagen, worauf es im Leben ankommt, sondern es ihnen auch vorleben und ihnen auf diese Weise Orientierung bei der Entdeckung ihrer eigenen Möglichkeiten zur Gestaltung ihres Lebens bieten.
Die Eltern sind es, denen Kinder zunächst vorbehaltlos vertrauen. Wenn sich das Baby von ihnen verstanden fühlt und seine Bedürfnisse nach Nahrung, Wärme, Zärtlichkeit und Anregungen erfüllt werden, fühlt es sich in ihrer Gegenwart geschützt und geborgen. Diese Sicherheit bietende Bindungsbeziehung ist die Voraussetzung dafür, dass ein Kind bereits im ersten Lebensjahr derart viel Neues aufnehmen und ausprobieren und die gemachten Erfahrungen fest im Hirn verankern kann. Damit diese anfangs noch sehr lockeren Verschaltungsmuster gefestigt werden können, brauchen Kinder viel Ruhe und Zeit zum aufmerksamen Beobachten und zum intensiven Üben und Ausprobieren.
Kinder lernen am besten, wenn sie den Lernstoff selbst bestimmen können. Als geborene Entdecker genießen sie es, ihre Neugier zu leben. Sie erschließen sich die Welt durch Versuch und Irrtum; je häufiger sie die Erfahrung machen, Probleme lösen zu können, umso stärker wächst ihr Mut. Wenn sich dann jemand mit ihnen gemeinsam über jede gelungene Lösung freut, wächst auch ihr Vertrauen, selbst in der Lage zu sein, ein Problem allein lösen zu können und damit auch noch einen anderen Menschen glücklich zu machen.
Vertrauen muss während der Kindheit auf drei Ebenen entwickelt werden: als Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten und die Fähigkeit, Probleme zu bewältigen. Als Vertrauen in die Lösbarkeit schwieriger Situationen gemeinsam mit anderen Menschen. Und alsVertrauen, dass die Welt es gut mit einem meint, weil die Eltern es gut mit einem meinen.
Am Anfang ihres Lebens wissen Kinder noch nichts von lebensbedrohlichen Gefahren. Sie kennen die Probleme nicht, mit denen sich ihre Eltern herumschlagen. Sie ahnen glücklicherweise auch noch nicht, welche Erwartungen in sie gesetzt werden und mit welchen Hoffnungen, Ängsten und Befürchtungen die Eltern ihre ersten Schritte in die Welt verfolgen. Sie wissen noch nicht, dass sie an manchen Problemen scheitern werden und dass ihr Vertrauen auch missbraucht werden kann. All das erleben sie erst
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