Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)
später.
Kinder geben ihren Eltern einen enormen Vertrauensvorschuss. Sie wollen, dass alles gut ist, sie möchten, dass alles gut wird. Sie leben nach dem Prinzip Hoffnung. Selbst wenn Eltern ihr Kind nicht liebevoll annehmen, sind die meisten Kinder dennoch bereit, ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen bedingungslos zu vertrauen. Selbst unter solch ungünstigen Umständen versucht jedes Kind, zumindest am Anfang, manchmal aber sogar über lange Zeit, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Erwartungen seiner Eltern oder seiner Bezugsperson doch noch irgendwie zu erfüllen.
So groß sind das Vertrauen und die Zuversicht der Kinder in unsere Welt. Sie bringen es mit, es ist schon da. Wir müssen nur aufpassen, dass es ihnen nicht geraubt wird.
Beharrlichkeit und Eigensinn
Haben Sie schon einmal einem Baby bei seinen ersten Versuchen, sich von der Rückenlage in die Bauchlage umzudrehen, zugeschaut? Den Impuls, ihm dabei zu helfen, kann man oft nur schwer unterdrücken. Immer und immer wieder hebt das Kind seinen Kopf und einen Arm, es krümmt den Rücken, rudert unkontrolliert herum, schlägt irgendwann noch das Bein über und dreht dabei das Becken. Und dann klappt es tatsächlich. Die Drehung gelingt. Das Baby liegt auf dem Bauch. Es ist begeistert von sich und dem, was es vollbracht hat. Niemand hat ihm gezeigt oder vorgemacht, wie es geht. Ganz allein hat es das herausgefunden. Und die Mühe hat sich gelohnt, denn jetzt, auf dem Bauch liegend, kann es krabbeln. Ganz allein, zum ersten Mal in seinem Leben, ist es in der Lage, sich auf dem Boden dorthin zu bewegen, wo es hinwill. Mit Beharrlichkeit und Eigensinn hat sich das Kind einen neuen Zugang zur Welt erobert.
Jetzt sind seiner Freude am Entdecken erst einmal keine Grenzen gesetzt. Nun dauert es nicht mehr lange, bis es sich am Tischbein hochzuziehen beginnt. Auch dieses neue Bewegungsmuster wird konzentriert eingeübt. Bis es zum ersten Mal auf seinen eigenen Füßen steht, noch etwas wacklig zwar, aber mit leuchtenden Augen. So sieht ein glückliches Kind aus. Ein Jahr, mal mehr, mal weniger, dauert es, ehe die Welt von oben betrachtet werden kann und die ersten Versuche gelingen, sich aufzurichten. All das tun Kinder von selbst, es ist in ihrem Interesse, sie brauchen keine Hilfe und sind ziemlich stolz darauf, es allein geschafft zu haben. Sie wollen nicht mehr kriechen und sich nach unten orientieren: Nach oben geht der Blick, weiteres Wachstum in Sicht.
Der Eifer beim Erlernen dieser neuen Fähigkeiten wird meist noch größer, wenn jemand da ist, der diese Fortschritte anerkennt und sich darüber freut. Das macht stark. Das Vermögen, an Aufgaben zu wachsen und etwas bewirken zu können, nennen Psychologen Selbstwirksamkeit. Dann spürt das Kind: Ich bin wer. Ich kann was erreichen.
In seinem Gehirn werden bei diesem Glücksgefühl die emotionalen Netzwerke im Mittelhirn aktiviert. An den Enden der Fortsätze dieser Zellgruppen wird ein gewaltiger Schwapp neuroplastischer Botenstoffe ausgeschüttet. Sie festigen neue Verbindungen. Ein paar Mal wird das Kind bei seinen nächsten Versuchen noch die Balance verlieren und auf den Po zurückfallen. Aber bald klappt es: Das zum Aufrichten erforderliche Verschaltungsmuster hat sich stabilisiert. Das Kind kann nun krabbeln, wohin es will, und selbst nachschauen, was es zu entdecken und mit den eigenen Händen zu greifen gibt. Wenn es erst einmal frei stehen kann, folgen bald die ersten eigenen Schritte. Wer jetzt noch nicht begriffen hat, mit welchem Eifer und mit welcher Geduld jedes Kind sich seinen Weg ins Leben selbst erschließt, braucht nur zuzuschauen, wie ein Kind laufen lernt.
Wir könnten die Beschreibung all dieser wunderbaren Fähigkeiten, die jedes Kind im Lauf seiner ersten Lebensjahre erwirbt, noch weiter fortsetzen. Könnten uns vergegenwärtigen, wie es aus den ersten noch ungeordneten Greifbewegungen allmählich gezielt das Greifen und Zugreifen erlernt. Wie es aus ersten gestammelten Lauten Worte und später Sätze formt und eine verständliche Sprache entwickelt, in der es ausdrücken kann, was es bewegt, was es will und was es vorhat. All das lernt ein Kind nicht deshalb, weil es genetische Programme gibt, welche die für diese Leistungen zuständigen neuronalen Verschaltungsmuster in seinem Gehirn zusammenbauen. Und all das lernt ein Kind nicht, weil es dazu erzogen, weil es ihm von anderen beigebracht wird. All das lernt ein Kind, weil es das will. Es will die Rassel
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