Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)
so erfolgreich anzupassen. Denn dann haben sie ihren Eigensinn verloren und spüren nicht mehr, wer sie eigentlich sind.
Manche Kinder scheitern aber auch bei dem Versuch, sich durch uneigensinniges, angepasstes Verhalten die Zuneigung und Nähe ihrer Eltern und Erzieher zu sichern. Weil sie bei sehr autoritären, selbstherrlichen und lieblos disziplinierenden Menschen aufwachsen, müssen sie versuchen, ihr angeborenes Bedürfnis nach Verbundenheit und Zugehörigkeit zu unterdrücken. Auch das funktioniert nur dann, wenn in ihrem Gehirn eine gewisse Begeisterung darüber ausgelöst wird, in der Lage zu sein, ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit erfolgreich zu unterdrücken. Beispielsweise durch Verstärkung des eigensinnigen Verhaltens, durch Protest und Geschrei und Gegenwehr. Dann folgt noch mehr Ärger und das Kind hat dann noch weniger Grund, mit diesen Eltern verbunden sein zu wollen. Auch diese Kinder haben dann etwas Entscheidendes für ihr späteres Leben verloren. Nicht den Eigensinn und die Beharrlichkeit, mit der sie ihre persönlichen Ziele verfolgen, aber ihr angeborenes Bedürfnis nach Nähe und Verbundenheit.
Achtsamkeit und Mitgefühl
Wer achtsam ist, sieht vieles, über das andere allzu leicht hinwegsehen. Er nimmt wahr, ohne gleich zu beurteilen, er ist nicht abgelenkt und lebt im Moment. Wenn man so mehr von der Welt mitbekommt, wird das Leben reicher, und im Gehirn bilden sich komplexere Vernetzungen heraus. Achtsam zu sein bedeutet auch, klarer zu denken und das, was gerade ist, unvoreingenommen wahrzunehmen. Ohne sich in Gedanken zu verlieren, was vielleicht sein könnte oder was gerade war. Deshalb ist Achtsamkeit weitaus geeigneter, sich die Welt zu erschließen, als Unachtsamkeit. Sie kostet nicht so viel Kraft und spart Energie. Viele Erwachsene haben das inzwischen auch schon bemerkt. Wahrscheinlich werden deshalb immer mehr Achtsamkeitskurse und Aufmerksamkeitsseminare angeboten. Dort üben die Großen, was sie als Kleine schon einmal sehr gut konnten: im Augenblick zu leben. Genau zu fühlen. Genau zu schauen. Bei sich zu sein. Wer sich selbst spürt, kann auch das besser mitempfinden, was andere bewegt.
Für die Religionen der Welt sind Achtsamkeit und Mitgefühl die Seele ihrer Lehre. Im Buddhismus gilt Mitgefühl als geistige Haltung, die Respekt und Verantwortung für alle Lebewesen ausdrückt. Buddhisten üben Mitgefühl in der Meditation, beim Beobachten ihrer Gedanken im » stillen Sitzen« und dem » Training der Achtsamkeit«. Mitempfinden, sagt der Dalai Lama, sei weder kindisch noch sentimental, sondern etwas wahrhaft Wertvolles und Tiefgründiges. Er spricht vom » Nutzen« des Mitgefühls: Durch Mitgefühl schafft man die Voraussetzungen dafür, vom anderen Zuneigung oder eine positive Reaktion zu erhalten. Das ist auch, was den Kategorischen Imperativ Immanuel Kants ausmacht und was sehr viel früher Jesus predigte: den Nächsten zu lieben wie sich selbst
Noch ist nicht genau bekannt, wie Empathie entsteht, aber schon Neugeborene ahmen, kaum auf der Welt, Gesichtsausdrücke nach. Sie strecken die Zunge heraus, wenn die Eltern es tun. Weinen, wenn wir ein trauriges Gesicht machen. Schürzen die Lippen und runzeln die Stirn. Das frühe Imitieren deutet darauf hin, dass ein Kind seine emphatischen Fähigkeiten bereits hat, wenn es auf die Welt kommt. Um aber einen Gesichtsausdruck nachahmen zu können, muss es diese Aktion mit einem Gefühl in Verbindung bringen. Dem Gefühl, dass es schon in Ordnung ist, wenn ich das so mache. Die Fähigkeit, sich auf einen anderen Menschen einzulassen und zu erspüren, wie es ihm geht, ist jedem schon in die Wiege gelegt.
Wirkliches Mitgefühl fällt Kindern umso leichter, je vertrauter sie mit dem Menschen sind, den sie beobachten. Für die meisten ist das anfangs zunächst die Mutter. Staunend blicken Neugeborene ihre Mütter an, stundenlang. Aus dem Zustand großer Offenheit erwächst die enorme Intensität, mit der das Baby auf alles achtet, was es mit Hilfe seiner sinnlichen Wahrnehmungen über seine Mutter erfahren kann. Dazu zählen vor allem ihre Stimmmelodie, die sich in Abhängigkeit vom emotionalen Zustand verändert, ihre Mimik und Gestik, mit der sie ihre Gefühle zum Ausdruck bringt, der Körperkontakt, das Streicheln und Schmusen. Jede mütterliche Gefühlsregung verändert ihre Stimme, ihre Mimik und Gestik, ihren Herzschlag, die Feuchtigkeit ihrer Haut und sogar ihren Duft. Sehr schnell lernen Kinder, welche
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