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Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)

Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)

Titel: Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Hüther , Uli Hauser
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groß. Heute beginnen wir zu verstehen, welche Auswirkungen die Weitergabe von Erfahrungen auf die Begabungen der Kinder hat, die in ihnen angelegt sind.
    Früher war das Leben der Menschen häufig von existenziellen Nöten geprägt. In vielen Gegenden der Welt ist das auch heute noch so. Dann werden natürliche Bedrohungen, Hunger und Elend, Krieg, Vertreibung und Unterwerfung zur vorherrschenden Erfahrung von Kindern und Eltern. Unter solchen Bedingungen geht es allen Eltern zunächst nur um das nackte Überleben, und das, was dafür erforderlich ist, müssen sie ihren Kindern so früh wie möglich beibringen. Dem Druck der Verhältnisse kann sich kein Kind in einer solchen Situation entziehen.
    Und doch hat es immer Familien und Kulturgemeinschaften gegeben, denen es auch unter existenziellem Druck gelungen ist, bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten auszubilden und sich Wissen und Kenntnisse anzueignen, die eine Weiterentwicklung ermöglicht haben. Durch den Anbau von Nutzpflanzen oder die Züchtung von Nutztieren erwarben sie einen gewissen Wohlstand und befreiten sich ein wenig von dem enormen Druck, der ihr Leben bestimmte. Um diesen bescheidenen Wohlstand aufrechterhalten zu können, mussten Eltern dafür sorgen, dass sich ihre Kinder diese besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten möglichst effizient aneigneten.
    Der äußere Druck, der diese Erwachsenen selbst noch dazu gezwungen hatte, wurde so durch einen inneren Druck auf die Kinder ersetzt. Auf diese Weise begann sich herauszubilden, was wir bis heute » Erziehung« nennen. Es war der Prozess, existenziell und emotional abhängige Kinder durch Belohnungen und Strafen dazu zu bewegen, sich nicht nur so zu verhalten, wie es die Erwachsenen für notwendig und richtig erachteten, sondern auch all die Fähigkeiten zu erwerben, die nötig waren, um den Wohlstand zu vermehren. Und sich auch das Wissen anzueignen, auf dessen Grundlage all das geschaffen worden war, was der Familie, Sippe oder Kulturgemeinschaft bisher geholfen hatte, dem ursprünglichen äußeren Druck von Not und Elend, von Unterdrückung und Abhängigkeit zu entkommen.
    Je abhängiger Kinder von ihren Eltern und anderen erwachsenen Bezugspersonen waren, desto besser funktionierte diese Art von Erziehung. Umso leichter ließen sich Kinder durch die Androhung von Strafen oder die Ankündigung von Belohnungen zu dem machen, was aus der Sicht ihrer » Erzieher« aus ihnen werden sollte.
    Diese Methode hat bis zum Ende des 20. Jahrhunderts mehr oder minder gut funktioniert und wird in vielen Kulturgemeinschaften bis heute praktiziert. Und doch gibt es zwei Entwicklungen, die zwangsläufig dazu führen, dass dieses » Erziehungsmodell«– wahrscheinlich sogar viel schneller, als es die meisten Erwachsenen in unserem Kulturkreis für möglich halten– nicht mehr länger eingesetzt werden kann und durch eine andere Art von Erziehung abgelöst werden muss.
    Die erste Entwicklung ist seit einigen Generationen bei uns bereits deutlich erkennbar: Die in die demokratischen westlichen Gesellschaften hineinwachsenden Kinder sind inzwischen weniger existenziell von ihren jeweiligen » Erziehern« abhängig. Sie lösen sich früher aus der Abhängigkeit von ihren Eltern, werden früher eigenständig und weigern sich zu akzeptieren, was sie zu tun und zu lassen haben. Sie finden beim Heranwachsen immer stärkeren Halt in Gruppen Gleichaltriger. Sie brauchen ihre Eltern weniger. Immer früher machen diese Kinder und Jugendlichen, was sie wollen, Druck imponiert ihnen nicht mehr. Weder der von Eltern noch der von Lehrern oder gar Polizisten. Sie werden zunehmend » immun« gegenüber angedrohten Bestrafungen und auch Belohnungen. Was sie nicht mögen, tun sie nicht.
    Das treibt viele Eltern zur Verzweiflung, denn sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Sie haben gelernt, was ihnen ihre Eltern beigebracht haben, aber dieses Wissen reicht heute nicht mehr. Es führt zu keinem Ergebnis, jedenfalls nicht dem gewünschten. Viele Väter und Mütter kommen vielleicht mit ihren kleinen Kindern noch zurecht; aber sie scheitern, wenn die Kleinen größer werden. Ratlos verlagern Eltern deshalb ihre Erziehungsbemühungen auf immer frühere Zeitpunkte der kindlichen Entwicklung. In eine Phase, in der ihre Kinder alles andere brauchen als Belehrung, Belohnung oder Bestrafung. Die Unsicherheit der Eltern macht auch ihre Kinder orientierungslos. Sie sind überfordert mit Fragen, die sie nicht beantworten können.

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