Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)
Deutschland, die Nachfrage ist groß. In Europa werben immer mehr Reiseunternehmen mit » Adults-only - Holidays«: einem Urlaub garantiert ohne Kinder. Sie dürfen nicht mal mehr draußen bleiben, sie dürfen erst gar nicht mit. Und in Amerika und Großbritannien fordern Flugreisende » Kid free flights«, weil sie es nicht ertragen, zwischen unruhigen Kindern zu sitzen.
Was wird aus einem Kind, das immer wieder erleben muss, dass es sich nicht frei bewegen kann, dass es immer nur funktionieren und keinen Ärger machen soll? Dem ständig gesagt wird, was es zu tun und zu lassen hat? Nicht nur zu Hause und in der Nachbarschaft, sondern auch im Kindergarten und später in der Schule? Kinder sind von Anfang an neugierig. Sie wollen die Welt entdecken. Vierjährige stellen am Tag 400Fragen. So lernen sie, worauf es im Leben ankommt, und machen dabei ständig neue Erfahrungen. Und die wichtigsten Erfahrungen für Kinder sind diejenigen, die sie in ihrer Beziehung zu anderen Menschen machen, Beziehungserfahrungen eben. Die werden besonders tief in ihrem Gehirn verankert. Es ist kein Naturgesetz, dass die meisten Kinder, sobald sie ein, zwei Jahre in der Schule sind, ihre angeborene Lust am Lernen verlieren. Das liegt nicht an ihnen und auch nicht an ihrem Gehirn, sondern am Unterricht. Wie soll man neugierig bleiben, wenn man immer nur belehrt wird? Wenn alle Kinder die Erfahrung machen könnten, dass es für sie in der Welt, in die sie hineinwachsen, unendlich viel zu entdecken, zu erforschen, auszuprobieren und zu lernen gibt, würde keines von ihnen seine angeborene Freude am Entdecken verlieren. Kein Kind hört freiwillig damit auf, seine Lebenswelt immer genauer zu erkunden, Fragen zu stellen und noch mehr wissen zu wollen. Aber wenn sich niemand dafür interessiert, was es gerade herauszufinden versucht, kann ihm diese Lust abhandenkommen. Oder wenn die Erwachsenen genervt reagieren, weil sie etwas anderes machen wollen oder eben einfach keine Zeit haben. Oder wenn es dauernd etwas erklärt bekommt, wonach es gar nicht gefragt hat. Oder wenn immer irgendein Besserwisser kommt und ihm sagt, worauf es ankommt, wenn es immer irgendwie belehrt und gefördert werden soll.
Selbst ein Erwachsener hält so etwas nicht lange aus. Der geht oder stellt sich taub. Vielleicht meldet er sich krank oder nimmt ein paar Tage Auszeit. Kinder können das nicht. Sie wollen ihre Eltern nicht enttäuschen und versuchen deshalb, brav zu tun, was verlangt wird. Und in der Grundschule halten sie auch noch tapfer durch, damit die Lehrerin nicht traurig ist und weil da ja sowieso jedes Kind hin muss. Wir haben schließlich Schulpflicht. Kinder lernen nur, wenn die Dinge für sie eine Bedeutung haben. Wichtig sind, nicht für die Lehrer, sondern für die Schüler. Aber danach wird in unseren Schulen nicht gefragt. Dort wird weiter gepaukt und Stoff eingetrichtert.
Was also soll aus Kindern werden, denen die Lust am eigenen Entdecken, die Freude an Fragen und Antworten, am Lernen und am Zuwachs an eigenem Wissen so früh abhandenkommt? Solche Kinder werden so, wie die meisten Erwachsenen unter diesen Bedingungen auch schon geworden sind. Lustlos und desinteressiert an allem, was es auf dieser wunderbaren Welt zu entdecken, zu hinterfragen, zu erforschen und zu erkennen gibt.
Wenn die Gestaltungslust gebremst wird
Es gab mal eine Zeit, da konnte Kindern das Leben langweilig werden. Langeweile, so haben wir es als Kinder selbst erlebt, ist einerseits schwer zu ertragen. Andererseits bringt sie die Gedanken derart in Bewegung, dass manchmal lustige Unternehmungen folgten. Weil Langeweile dazu herausfordert, etwas zu tun, kreativ zu werden, sich selbst etwas einfallen zu lassen.
Computer, Fernsehen und Smartphones machen diese Anstrengung überflüssig: Ein Knopfdruck reicht, und schon ist das Kind beschäftigt. Sich mit Elektronik abzulenken, sofort und immerzu, ist das Erste, was Kindern und Jugendlichen heute in den Sinn kommt. Sie sitzen nicht mehr nur gern vor dem Fernseher, sie sind am liebsten den ganzen Tag auf Sendung. So wird das Leben zur Konferenzschaltung. Wer Kinder hat, schaut ungläubig zu, wie sich die Tochter auf Facebook mit ihrer Freundin unterhält. Ein Klick, und schon sind die » Freunde« da. Ein Klick reicht auch, um sie verschwinden zu lassen. Ex und hopp. Viele Kinder hocken nur noch zu Hause, allein. Dort entspannen sie dann, » chillen«, wie es heute heißt. Die Technik verführt und verstört. Sie belohnt und
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