Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)
Nutzer. So ist das System zunehmend darauf programmiert, dem Nutzer nur das zu liefern, was er vermeintlich haben will.
Wir werden durchleuchtet und geprüft, ob wir wollen oder nicht. Und wir werden Mühe haben, uns all dem zu entziehen und uns und unsere Kinder zu schützen. Wir werden uns verteidigen müssen gegen den Zugriff der Konzerne, die Zumutungen einer Gesellschaft, die nach immer mehr Kontrolle verlangt und Freiheiten, kleine wie große, in atemberaubender Geschwindigkeit aushöhlt. Uns zu Nutzern, nicht aber zu Akteuren macht.
Viele Gespräche, die Eltern heute mit ihren Kindern führen, handeln vom Umgang mit dem Computer. Davon, ob Dreijährige mit Papas Handy spielen dürfen. Ob Siebenjährige in der zweiten Klasse PC -Unterricht brauchen. Wann es Zeit wird für den ersten Laptop. Und wie viele Stunden am Tag wir unseren Kindern vor dem Bildschirm zugestehen. In den Zeitungen werden Experten zitiert, die nach Alter aufschlüsseln, wie lange nun Elf-, Zwölf- und Dreizehnjährige vor diesen Apparaten hocken dürfen. Als sei dies ein elementares Menschenrecht, als kämen Kinder ohne Computer nicht mehr mit ihrem Leben klar. Wenn sich Eltern heute mit der Freizeit ihrer Kinder beschäftigen, rechnen sie wie selbstverständlich eine » Medienzeit« mit ein– ein, zwei Stunden am Tag– und fragen ängstlich herum, ob dies in Ordnung sei. Zu viel. Oder zu wenig.
Wenn Kinder früh lernen, dass sie nicht gestalten, sondern nur konsumieren können, hat das etwas Demütigendes. Kinder wollen von Natur aus Verantwortung übernehmen, einen Beitrag leisten, sich einbringen, hineingezogen werden ins pralle Leben. Sie brauchen Erlebnisse, die echt sind, nicht bereitgestellt. Wir sind mit dem Computer in der Lage, fast jede Bewegung zu simulieren. Und gleichzeitig lesen wir in der Zeitung, dass immer weniger Kinder schwimmen können. Wer zwischen sechs und zwölf Jahren nicht das Schwimmen lernt, hat es später schwer. Doch viele Kinder sitzen in diesem Alter vor irgendeinem Bildschirm. Und tun so, als würden sie sich bewegen. Bekämen Kinder häufiger die Gelegenheit, sinnliche Erfahrungen zu machen, um zu spüren, was sie selbst bewegen, bauen und gestalten können, würde kein Kind seine Freude und seine Lust am eigenen Gestalten und am Mitgestalten seiner Lebenswelt verlieren. Und weniger Kinder würden ihre Lust am Gestalten in der virtuellen Welt befriedigen.
Dazu aber müssten Kinder und Jugendliche die Erfahrung machen, dass sie im echten Leben wirklich gebraucht werden. Dass es auf sie ankommt. Auf ihre Kreativität bei der Suche nach neuen Lösungen, auf ihren persönlichen Einsatz bei der Umsetzung guter Ideen, auf ihre Mitwirkung im Alltag. Aber wie soll ein Kind all diese wichtigen Erfahrungen machen, wenn ihm immer nur gesagt wird, was es als Nächstes zu tun hat? Wenn Eltern und Lehrer so tun, als seien ein bisschen Mithilfe im Haushalt oder die Erledigung von Hausaufgaben eine Aufgabe, an der sie wachsen können? So jedenfalls entwickeln sie nicht das Gefühl von Bedeutung und Selbstwirksamkeit.
Erwachsene werden krank, wenn man sie in Situationen bringt, in denen sie nichts mehr selbst gestalten können, wenn sie nur noch wie ein Rädchen in einem Getriebe funktionieren sollen. Weil das keiner aushält, sucht sich jeder, der so instrumentalisiert wird, einen Freiraum. Um das Gefühl zu haben, zumindest dann etwas nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten zu können.
Das geht Kindern und Jugendlichen nicht anders. Nur sind die Freiräume, die sie sich heute suchen, nicht mehr die gleichen wie die ihrer Eltern und Großeltern. Beim Werkeln im eigenen Garten, beim Bau eines Hauses, der Arbeit im Sportverein oder bei der freiwilligen Feuerwehr konnten Jugendliche und Erwachsene sinnstiftende Erfahrungen sammeln und sich wertvolle Kompetenzen aneignen. Das ist in den heutigen Rückzugsgebieten der eigenen Gestaltungslust anders. Die Kompetenzen, die Kinder und Jugendliche bei ihrer intensiven Beschäftigung mit den modernen Medien erwerben, führen zwar dazu, dass sie all das, was diese Medien ihnen an Möglichkeiten bieten, immer besser beherrschen. Aber wie man einen Nagel in die Wand schlägt, einen Garten anlegt oder ein Zelt aufbaut oder wie man mit Menschen zurechtkommt, die eine andere Meinung haben: Das lernt man nicht am Computer.
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