Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)
das von den Kindern, die endlich schlafen lernen sollen. Wie lange darf ein Kind schreien? Sollte man die Minuten zählen? Wann muss ich es auf den Arm nehmen?
Die Botschaft ist: Verwöhnt eure Kinder nicht zu sehr. Lasst euch von ihnen nicht den Rhythmus diktieren. Setzt euch durch. Setzt auf Disziplin, die kann man nicht früh genug lernen. Wie grausam, denn das Gegenteil ist richtig. Am Anfang kann man Kinder gar nicht genug verwöhnen, damit sie groß und stark genug werden, um irgendwann das Leben selbst zu meistern. Wir müssten doch alle wissen, dass man Kindern mit Disziplinierungsmaßnahmen, mit Bestrafungen und Belohnungen keine Disziplin beibringen kann, sondern lediglich Gehorsam. Den aber brauchen wir in Deutschland nicht noch einmal.
Es scheint, als befänden sich manche Eltern in einem Stellungskrieg: Man beobachtet sich gegenseitig, erobert Terrain und gibt wieder Land ab. Arbeitet sich ab an Fragen, die niemand beantworten kann: Wie viel Eltern braucht ein Kind? Wie viel Schlaf? Was soll ich tun, wenn es zu lebendig ist? Kann man was machen, wenn der Wille zu stark wird? Das Kind nervt und die Erziehung zu einem Laster wird? Wir wünschen uns eigensinnige Kinder und halten sie oft nicht aus.
Doch der Eigensinn eines Kindes ist Ausdruck seiner bis dahin bereits gewonnenen Unabhängigkeit des eigenen Denkens, Fühlens und Handelns. Zwar müssen Kinder lernen, sich anzupassen und die Regeln des sozialen Zusammenlebens einzuhalten, doch ihre autonomen Regungen, ihre eigenen Gedanken und ihren eigenen Willen sollten sie dabei nicht unterdrücken. Wie soll ein Kind zu einer selbstbestimmten und selbstbewussten Persönlichkeit heranreifen, das im Wesentlichen immer nur erfahren hat, dass es das Beste ist, sich anzupassen? Nur das zu sagen, was die anderen denken, und nur das zu tun, was alle anderen für richtig und wichtig halten? Zu Hause mag das noch gehen, dort macht es das der Mama oder dem Papa zuliebe. Aber im Kindergarten und erst recht in der Schule werden solche Kinder, die es allen anderen immer recht machen wollen, zu angepassten Persönlichkeiten und Langweilern. Und davon gibt es ohnehin schon mehr als genug.
Ein Kind, das zu Hause nicht zu sagen wagt, was es denkt, und nur das tut, was Mama und Papa richtig finden, hat Angst, seine Eltern zu verlieren. Ihm fehlt das Vertrauen, dass es so angenommen und geliebt wird, wie es ist. Und genauso, wie es bereit ist, seinen eigenen Willen und seine eigenen Gedanken zu unterdrücken, um dazugehören zu dürfen, wird es sich später auch im Kindergarten und in der Schule abhängig von den Meinungen und Bewertungen der anderen machen.
» Was heißt denn Eigensinn«, hat Hermann Hesse gefragt. » Das, was einen eigenen Sinn hat. Einen eigenen Sinn nun hat jedes Ding auf Erden. Selbst jede Pflanze wächst, lebt, tut und fühlt lediglich nach ihrem eigenen Sinn, und darauf beruht, dass die Welt gut, reich und schön ist.« Nur zwei » arme, verfluchte Wesen auf Erden« gebe es, denen es nicht vergönnt sei, zu leben und zu sterben, wie es ihnen der tief eingeborene eigene Sinn befehle. » Einzig der Mensch und das von ihm gezähmte Haustier sind dazu verurteilt, nicht der Stimme des Lebens und Wachstums zu folgen, sondern irgendwelchen Gesetzen, die von Menschen aufgestellt sind und die immer von Zeit zu Zeit wieder von Menschen gebrochen und geändert werden.«
Nicht allen Eltern gelingt es, ihrem Kind das Gefühl zu vermitteln, einzigartig zu sein. Manchen fehlt die Zeit, sich auf ihr Kind einzulassen; sie stehen selbst unter Druck und möchten, dass es das macht, was sie ihm sagen. Sie erwarten Anpassung, nicht Eigensinn. Starke Kinder reagieren darauf mit Widerstand, mit Trotz und Verweigerung. Das macht viele Eltern hilflos. Sie versuchen, ihre Vorstellungen mit noch mehr Druck durchzusetzen. Irgendwann gibt das Kind auf, seinen Willen zum Ausdruck zu bringen. Es ist frustriert und versucht, seinen Frust an anderer Stelle loszuwerden, indem es womöglich Schwächere drangsaliert.
Wenn jedes Kind die Erfahrung machen könnte, einzigartig zu sein, und so geliebt werden würde, wie es ist, würde sich die Kindheit nicht zu einem Wettbewerb auswachsen, wer denn nun der Beste ist. Jedes Kind wäre mit sich selbst zufrieden, würde mit Freude an der Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten arbeiten, nach Lust und Laune lernen und sich mit allem, was es weiß und kann, in die Gemeinschaft einbringen, in der es aufwächst. Es wäre froh darüber, sich
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