Jedes Kind Kann Regeln Lernen
Beziehung zur Mutter war sehr angespannt. Es fanden viele Kämpfe um Aufmerksamkeit statt. Auch die Hausaufgaben waren betroffen. Mit der Mutter hatte ich besprochen, wie sie mit ihrem Sohn Klartext reden und die Technik der "kaputten Schallplatte" anwenden sollte. - Nun saß sie wieder einmal neben ihrem Sohn bei den Hausaufgaben und ärgerte sich darüber, daß er unkonzentriert war und die ganze Zeit mit einem Stapel Fußballkarten hantierte. Dreimal forderte sie ihn auf: "Leg jetzt die Fußballkarten weg." Es half nicht. Nun mußte die Mutter handeln. Leider hatte sie nicht vorher überlegt, was sie als nächstes tun würde. Sie entschied aus ihrem Gefühl des Ärgers und der Enttäuschung heraus. Und was tat sie? Sie nahm die Fußballkarten und riß sie in der Mitte durch. Maximilian weinte bitterlich. Lange hatte er gespart und getauscht, bis er seine Lieblingsstars zusammen hatte, und nun war alles zerstört.
Was hätte Maximilians Mutter stattdessen tun können? Die Karten störten Maximilian wirklich in seiner Konzentration. Es war durchaus eine "natürliche Folge", sie aus dem Verkehr zu
ziehen. Aber es hätte ausgereicht, ihm die Karten so lange wegzunehmen, bis er mit den Hausaufgaben fertig war.
Wenn Ihr Baby oder Ihr Kleinkind nicht das tut, was es soll, gibt es oft nur eine natürliche Konsequenz: Sie müssen mit sanftem körperlichen Druck "nachhelfen". Wenn Ihr Baby sich beim Wickeln dreht und wälzt, halten Sie es fest. Wenn Ihr Zweijähriger sich einer Gefahrenquelle nähert, nehmen Sie ihn und holen ihn dort weg. Weigert sich Ihre Dreijährige, die Treppe hinauf Richtung Schlafzimmer zu gehen, können Sie sie entweder schieben, ziehen oder tragen. Weigert sie sich, den Mantel anzuziehen, während Sie unter Zeitdruck stehen? Es wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als "nachzuhelfen".
In unserer Familie ist die Frage "Freiwillig oder mit Gewalt?" zum geflügelten Wort geworden. Sehr abschreckend kann unsere Art von "Gewalt" für die Kinder allerdings nicht sein, sonst würde meine sechsjährige Tochter nicht ab und zu fragen: "Mami, ich war doch heute so lieb. Kannst du mich bitte mit Gewalt ins Bett bringen?"
Manchmal ist das "Nachhelfen" weniger lustig. Oft ist es mit lautem Geschrei unseres Kindes verbunden. Wir haben das Gefühl, daß wir unserem Kind Gewalt antun, daß wir ihm "unseren Willen aufzwingen". Es ist in dieser Situation besonders schwierig, die Kontrolle zu behalten und ruhig zu bleiben. Aber gerade daraufkommt es entscheidend an.
In der folgenden Tabelle werden einige typische Verhaltensweisen und ihre möglichen natürlichen Konsequenzen gegenübergestellt:
Auffälliges Verhalten
Natürliche Konsequenz
Liona, 9 Monate alt, wacht nachts dreimal auf und trinkt jeweils eine große Flasche Milchbrei. Tagsüber trinkt sie kaum etwas.
Die nächtliche Trinkmenge wird verringert. Nach einer Woche bekommt Liona nachts nichts mehr, damit sie tagsüber ihren Hunger stillt.
Marcel, 2 Jahre alt, zerstört vor Wut sein Lieblingsauto.
Das Auto wird nicht ersetzt.
Laura, 3 Jahre, geht nicht zur Toilette, obwohl sie ihre Blase kontrollieren kann.
Sie bekommt keine Windel mehr. Entweder bleibt die Hose eine Zeitlang naß, oder sie muß sich allein umziehen.
Die 3jährige Carola verweigert das Mittagessen.
Sie bekommt erst bei der nächsten Mahlzeit wieder etwas angeboten.
Thomas, 5 Jahre alt, hat Milch umgeschüttet.
Er bekommt einen Lappen und wischt die Milch auf.
Matthias, 5 Jahre, weigert sich, seine Spielsachen vom Wohnzimmerteppich wegzuräumen.
Die Spielsachen kommen in eine Kiste und werden für mindestens eine Woche aus dem Verkehr gezogen.
Sabrina, 6 Jahre alt, fängt an zu weinen, wenn sie beim Gesellschaftsspiel mit der Mama eine Niederlage befürchtet.
Die Mutter beendet das Spiel.
Alexander, 7 Jahre, trödelt morgens trotz mehrfacher Ermahnungen.
Er kommt zu spät zur Schule.
Sara, 8 Jahre, hat im Streit der Puppe ihrer älteren Schwester einen Arm herausgerissen.
Sara muß die Puppe von ihrem Taschengeld ersetzen.
Alle natürlichen Folgen wirken nur unter einer Bedingung:
• Lassen Sie Ihre Taten für sich sprechen, aber schweigen Sie selbst!
Sie können Ihr Kind durchaus mit sanfter Gewalt - ruhig, aber bestimmt - die Treppe hochschieben, solange Sie dabei schweigen oder nur kurz bemerken: "Ich werde dich jetzt ins Badezimmer bringen!" Die Versuchung, ordentlich loszuschimpfen, ist groß: "Jeden Abend dasselbe Theater! Ich bin es allmählich leid! Kannst du nicht
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