Jedi-Akademie 01 - Flucht ins Ungewisse
»Ich habe die gesammelten Werke der Kinderliteratur von Tausenden von Planeten gespeichert. Ich habe eine Geschichte ausgewählt, von der ich glaube, daß sie euch wirklich Spaß machen wird. Sie heißt Der kleine verschwundene Banthajunge, ein Klassiker, der seit Generationen bei Kindern eures Alters beliebt ist.«
Er hatte sich schon darauf gefreut, diese Geschichte zu erzählen, und dachte daran, wie sehr es ihm gefallen hatte, den Ewoks von seinen Abenteuern mit Master Luke und Captain Solo zu berichten. Er hatte sogar einige überaus spannende Toneffekte zu bestimmten Stellen in der Banthajunge -Geschichte eingearbeitet. 3PO hatte während seiner Zeit auf Tatooine keinen lebenden Bantha gesehen, aber Banthareiter – die Tusken-Räuber – hatten ihn bei ihrem ersten Überfall auf Master Luke auseinandergenommen. Er vermutete, daß ihn dies in gewisser Hinsicht zu einem Experten machte.
»Will keine Geschichte!« wiederholte Jacen. Beide Kinder hatten das widerspenstige dunkle Haar und die braunen Augen ihrer Mutter. Im Moment machte der Junge allerdings das gleiche entschlossene und störrische Gesicht, das 3PO so oft bei Han Solo gesehen hatte.
3PO durchschaute, daß das vorliegende Problem sehr wenig mit der Geschichte an sich zu tun hatte. Nach seinen neugewonnenen Informationen über kleine Kinder mußten sich die Zwillinge im Moment verloren und hilflos fühlen. Da so viele Dinge außerhalb ihrer Kontrolle lagen, mußten sie ihre Kräfte messen, um sich eine winzige Insel der Stabilität zu bewahren. Jacen mußte sich beweisen, daß er seine Umgebung beeinflussen konnte. Im Moment war der Junge sehr aufgebracht; Jaina spürte die Verzweiflung ihres Bruders und konnte jeden Augenblick in Tränen ausbrechen.
»Nun gut, junger Master Jacen. Ich werde euch die Geschichte ein anderes Mal erzählen.«
3PO wußte genau, mit welchem Trick er die Zwillinge beruhigen und zum Einschlafen bringen konnte. Schließlich beherrschte er fließend sechs Millionen Kommunikationsformen. Er konnte Wiegenlieder in zahllosen Sprachen und Stilarten singen. Er suchte einige aus, die den Zwillingen garantiert gefallen würden. Jacen und Jaina würden in wenigen Minuten eingeschlafen sein. Er begann zu singen.
»Warum weinen sie denn jetzt?« fragte Leia, sich abrupt aufrichtend und zum Schlafzimmer blickend. »Vielleicht sollte ich mal nachsehen.«
Winter griff nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest. »Keine Sorge. Sie sind müde, verschüchtert und haben Angst. Hab Geduld mit ihnen. Und da du neu für sie bist, werden sie zunächst einmal deine Grenzen testen, um herauszufinden, wie sie dich manipulieren können. Bring ihnen ja nicht bei, daß du jedesmal loslaufen wirst, wenn sie einen Mucks von sich geben. Kinder lernen solche Dinge sehr schnell.«
Leia seufzte und sah ihre Kammerzofe an. Seit Jahren beriet Winter sie in vielen Bereichen, und normalerweise hatte sie recht. »Sieht aus, als wäre ich diejenige, die schnell lernen muß.«
»Alles ist Teil eines Lernprozesses. Du mußt deine Liebe und ihr Bedürfnis nach Stabilität miteinander ausbalancieren. Das ist das Geheimnis der Elternschaft.«
Leia runzelte die Stirn, als verdrängter Kummer ihre Freude über die Rückkehr der Kinder zu überschütten drohte. »Alles muß ich allein machen.«
Winters Blick wurde bohrend, und sie stellte die Frage, die ihr schon seit Stunden durch den Kopf ging. »Wo ist, Han?«
»Er ist nicht hier – das ist es ja!«
Um ihren Zorn und ihre Besorgnis vor Winter zu verbergen, stand Leia auf und drehte ihr den Rücken zu. Immer und immer wieder hatte sie sich vorgestellt, daß Han verletzt, verschollen, bedroht war… aber sie hielt es für sicherer, an andere Möglichkeiten zu denken. »Er fliegt mit Chewbacca im Falken herum. Er hätte schon vor zwei Tagen zurückkehren sollen. Er wußte, daß die Zwillinge nach Hause kommen, aber er hat sich nicht einmal bemüht, hier zu sein! Es ist schlimm genug, daß wir in ihren ersten beiden Lebensjahren als Eltern praktisch nicht existierten, aber er kann nicht einmal die Zeit erübrigen, Jacen und Jaina bei ihrer Heimkehr zu begrüßen.«
Han hatte die Rasiermesserschärfe von Leias Worten oft genug kennengelernt, und ihre Zunge war in den Jahren diplomatischer Übung immer spitzer geworden. Ein kleiner Teil von ihr war froh, daß er nicht hier war, um ihren Zorn zu spüren. Aber wenn er hier gewesen wäre, hätte sie auch keinen Grund für diesen Zorn gehabt.
»Wo ist er
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