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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mulder43
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und kehrte dann mit einer rostigen Tasse zurück, die vermutlich mit Regenwasser gefüllt war. Er hielt sie ihr hin. Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich komme mir vor, als hätte ich den halben Paquenoke getrunken.«
    »Das hier ist besser.«
    »Ganz bestimmt. Trotzdem passe ich.« Er trank die Tasse aus und rührte dann das Essen um, das er auf dem kleinen Propangaskocher wärmte. Mit leiser Stimme sang er dabei eine schaurige Melodie:
    »Farmer John, Farmer John. Frisch auf den Tisch von Farmer John...« Es war nur ein Reklamespruch, aber der Singsang war unheimlich, und sie war heilfroh, als er damit aufhörte. Sachs wollte das Essen zunächst ablehnen, doch dann wurde ihr mit einem Mal bewusst, wie ausgehungert sie war. Garrett goss den Inhalt des Topfes in zwei Schalen und reichte ihr einen Löffel. Sie spuckte auf das Besteck und wischte es an ihrem T-Shirt ab. Ein paar Minuten aßen sie schweigend. Sachs nahm ein Geräusch draußen wahr, einen heiseren, schrillen Laut.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Zikaden?«
    »Ja«, sagte er.
    »Bloß die Männchen machen dieses Geräusch. Nur die Männchen. Machen den ganzen Lärm mit kleinen Membranen an ihrem Leib.« Er kniff die Augen zusammen, dachte einen Moment lang nach.
    »Sie führen ein total irres Leben... Die Larven graben sich im Boden ein und bleiben dort siebzehn Jahre lang, bis die Nymphen schlüpfen. Dann kommen sie raus und klettern auf einen Baum. Ihre Haut platzt am Rücken auf, und die erwachsenen Tiere krabbeln raus. All die Jahre sind sie unter der Erde, verstecken sich einfach, bis sie rauskriechen und mit einem Mal erwachsen sind.«
    »Wieso magst du Insekten so, Garrett?«, fragte Sachs. Er zögerte.
    »Weiß ich nicht. Einfach so.«
    »Hast du nicht mal drüber nachgedacht?« Er hörte auf zu essen. Kratzte einen der Striemen, die vom Giftsumach herrührten.
    »Ich glaube, ich hab angefangen, mich dafür zu interessieren, nachdem meine Eltern gestorben sind. Damals war ich ziemlich unglücklich. Mir war oft so komisch zu Mute, im Kopf vor allem. So durcheinander und, ich weiß nicht recht, einfach irgendwie anders. Die Psychologen in der Schule haben gesagt, das kam daher, weil Mami und Papi und meine Schwester tot wären, und sie haben mir erklärt, dass ich mich irgendwie mehr anstrengen müsste, drüber wegzukommen. Aber ich konnte nicht. Ich hab mich gefühlt, wie wenn ich gar nicht mehr richtig da wär. Mir war alles egal. Ich hab bloß noch im Bett gelegen, bin in den Sumpf oder in den Wald gegangen und hab gelesen. Ein Jahr lang hab ich nichts anderes gemacht. Irgendwie hab ich kaum jemand gesehen. Wurde bloß von einem Pflegeheim zum ändern gereicht... Aber dann hab ich was Schlaues gelesen. In dem Buch da.« Er schlug Die Welt im Kleinen auf und suchte die Seite. Er zeigte sie ihr. Er hatte den Absatz unter der Überschrift
    »Merkmale eines gesunden Lebewesens« eingekreist. Sachs überflog ihn, las etliche der acht, neun dort aufgeführten Punkte. - Ein gesundes Lebewesen will wachsen und sich weiterentwickeln. - Ein gesundes Lebewesen will überleben. - Ein gesundes Lebewesen will sich an seine Umwelt anpassen.
    »Ich hab das gelesen«, sagte Garrett,
    »und es war wie eine Erleuchtung, wow, so könnte ich sein. Ich könnte wieder gesund und normal sein. Ich hab mich total bemüht, die Regeln zu befolgen, die da standen. Und hinterher ging es mir besser. Daher nehm ich an, dass ich mich ihnen irgendwie verbunden gefühlt habe - den Insekten, mein ich.« Ein Moskito landete auf ihrem Arm. Sie lachte.
    »Aber sie saugen auch dein Blut.« Sie erschlug ihn.
    »Hab ihn.«
    »Sie«, berichtigte Garrett.
    »Bloß die Weibchen saugen Blut. Die Männchen trinken Nektar.«
    »Wirklich?« Er nickte, schwieg dann einen Moment. Schaute auf den Blutstropfen auf ihrem Arm.
    »Insekten gehen nie weg.«
    »Was meinst du damit?« Er suchte eine andere Stelle in dem Buch und las laut vor:
    »>Wenn man irgendwelche Lebewesen als unsterblich bezeichnen kann, dann sind es die Insekten, die die Erde bereits viele Millionen Jahre vor den Säugetieren bevölkerten und auch noch da sein werden, wenn alles intelligente Leben längst vergangen ist.<« Garrett legte das Buch hin und blickte zu ihr auf.
    »Sehen Sie, die Sache ist die - wenn man eines totmacht, gibt es immer noch eine ganze Menge. Wenn meine Mami und mein Papi und meine Schwester Insekten gewesen wären, gab's immer noch andere, die genauso sind wie sie, und ich wäre nicht allein.«
    »Hast du

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