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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mulder43
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Enttäuschung und auch seinen Unmut, glaubte sie -, als der Doktor ihm seinen Wunsch verwehrt hatte. Ach, Rhyme, ich kann verstehen, dass dir Spuren, handfeste Fakten lieber sind. Dass wir uns nicht auf diese schwammigen Sachen verlassen dürfen auf Worte, Mienenspiel und Tränen, auf den Blick, mit dem uns jemand anschaut, wenn wir ihm gegenüber sitzen und uns seine Geschichten anhören.., Aber das heißt noch lange nicht, dass die Geschichten niemals stimmen. Ich glaube, dass hinter Garrett Hanion mehr steckt, als uns die Spuren verraten.
    »Schau auf den Stuhl«, sagte sie.
    »Wer soll dort sitzen? Wen möchtest du dir vorstellen?« Er schüttelte den Kopf.
    »Weiß ich nicht.« Sie schob den Stuhl näher. Lächelte ihm ermutigend zu.
    »Sag's mir. Nur zu. Ein Mädchen? Jemand aus der Schule?« Wieder schüttelte er den Kopf.
    »Sag's mir.«
    »Na ja, ich weiß nicht. Vielleicht...« Er stockte.
    »Vielleicht meinen Vater«, stieß er hervor. Sachs dachte bestürzt und aufgebracht an Hal Babbages kalte Augen und seine ungehobelte Art. Sie nahm an, dass Garrett ihm eine Menge zu sagen hatte.
    »Bloß deinen Vater? Oder ihn und Mrs. Babbage?«
    »Nein, nein, den doch nicht. Ich meine, meinen richtigen Vater.«
    »Deinen richtigen Vater?« Garrett nickte. Er war aufgeregt, nervös. Schnippte hektisch mit den Fingernägeln. Insekten sieht man an den Fühlern an, wie ihnen zu Mute ist... Als sie seine aufgewühlte, erregte Miene sah, stellte Sachs betroffen fest, dass sie keine Ahnung hatte, was sie da eigentlich tat. Sicherlich gab es allerhand Methoden, die die Psychologen anwendeten, um ihre Patienten im Laufe der Therapie aus der Reserve zu locken, sie zu führen, aber auch vor seelischen Schäden zu schützen. Machte sie bei Garrett möglicherweise alles nur noch schlimmer? Gab sie ihm den letzten Anstoß dazu, dass er tatsächlich gewalttätig wurde und sich oder jemand anderem etwas antat? Nichtsdestotrotz, sie wollte es versuchen. Sachs' Spitzname bei der New Yorker Polizei lautete P. T. - die
    »Plattfußtochter«, das Kind eines Streifenpolizisten -, und sie war eindeutig nach ihrem alten Herrn geraten. Hatte seine Leidenschaft für Autos geerbt, seine Liebe für die Polizeiarbeit, die Unduldsamkeit, was jeglichen Unsinn anging, und vor allem sein Einfühlungsvermögen, das man als Cop auf der Straße brauchte. Lincoln Rhyme hatte ihr vorgeworfen, sie lege zu viel Wert auf die menschliche Seite, und sie davor gewarnt, dass dies noch einmal ihr Untergang sein werde. Er lobte ihre kriminalistische Begabung, doch im Grunde ihres Herzens, auch wenn sie durchaus die Gaben zu einer guten forensischen Wissenschaftlerin besaß, hielt sie es wie ihr Vater -die besten Hinweise bekam man, wenn man den Menschen ins Herz blickte. Garretts Blick wanderte zum Fenster, wo irgendwelche Viecher selbstmörderisch gegen den Fliegendraht schwärmten.
    »Wie hieß dein Vater?«, fragte Sachs.
    »Stuart. Stu.«
    »Wie hast du ihn genannt?«
    »Meistens >Papi<. Manchmal auch >Sir<.« Garrett lächelte traurig.
    »Wenn ich irgendwas angestellt hatte und gedacht hab, ich sollte mich lieber gut benehmen.«
    »Seid ihr miteinander zurechtgekommen?«
    »Besser als die meisten meiner Freunde mit ihren Vätern. Die sind teilweise verprügelt worden, und ihre Väter haben sie dauernd angebrüllt. Sie wissen schon: >Warum hast du am Tor vorbeigeschossen?<, >Warum sieht dein Zimmer wie ein Saustall aus?<, >Wieso hast du deine Hausaufgaben noch nicht gemacht?< Aber mein Vater war immer gut zu mir. Bis...« Seine Stimme verklang.
    »Nur zu.«
    »Ich weiß nicht.« Wieder zuckte er die Achseln. Sachs ließ nicht locker.
    »Bis was, Garrett?« Schweigen.
    »Sag schon.«
    »Ich will's aber nicht sagen. Es ist zu blöd.«
    »Na gut, mir brauchst du's auch nicht zu sagen. Sag's ihm, deinem Vater.« Sie nickte zu dem Stuhl hin.
    »Da ist dein Vater, genau vor dir. Du brauchst ihn dir nur vorzustellen.« Der Junge rückte ein Stück vor, starrte auf den Stuhl, fast als wäre ihm bange.
    »Dort sitzt Stu Hanion. Rede mit ihm.« Einen Moment lang blickte der Junge so sehnsüchtig auf den Stuhl, dass Sachs am liebsten geweint hätte. Sie war sich darüber im Klaren, dass sich hier etwas Wichtiges anbahnte, und hatte Angst, dass er davor zurückschrecken könnte.
    »Erzähl mir von ihm«, versuchte sie es erneut.
    »Erzähl mir, wie er ausgesehen hat. Was für Sachen er anhatte.« Der Junge stockte kurz.
    »Er war groß und ziemlich dünn«, sagte er

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