Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc
seelenruhig und ging dann gemächlich zur Tür, schob den Riegel zurück und riss sie auf.
»Hier ist ein Unfall passiert!«, rief er.
»Schnell, ich brauch Hilfe!« Er ging hinaus auf den Flur.
»Ich brauch -« Lucy Kerr stand unmittelbar vor ihm, den Revolver auf seine Brust gerichtet.
»Herrgott, Lucy!«
»Das reicht, Jim. Rühr dich nicht von der Stelle.« Der Sheriff wich einen Schritt zurück. Nathan, der Deputy, der so gut schießen konnte, trat hinter Bell und zog dessen Waffe aus dem Holster. Dann stieß ein weiterer Mann hinzu - ein großer Mann mit braunem Anzug und weißem Hemd. Ben kam ebenfalls angerannt und stürmte sofort zu Rhyme, ohne die anderen zu beachten, und wischte dem Ermittler mit einem Papiertuch das Gesicht ab. Der Sheriff starrte Lucy und die anderen an.
»Nein, ihr müsst das verstehen! Es war ein Unfall! Die Giftflasche ist umgekippt. Ihr müsst doch -« Rhyme spie auf den Boden und prustete, als ihm die scharfen Dämpfe in die Nase stiegen.
»Könnten Sie ein bisschen höher wischen?«, sagte er zu Ben.
»Da, an der Wange. Sonst kriege ich die Flüssigkeit noch in die Augen. Besten Dank.«
»Klar, Lincoln.«
»Ich wollte doch Hilfe holen!«, sagte Bell.
»Das Zeug ist umgekippt! Ich -« Der Mann im Anzug löste ein Paar Handschellen von seinem Gürtel und legte sie dem Sheriff an.
»James Bell«, sagte er.
»Ich bin Detective Hugo Branch von der Staatspolizei von North Carolina. Sie sind verhaftet.« Branch warf Rhyme einen säuerlichen Blick zu.
»Ich hab Ihnen doch gesagt, dass er Ihnen das Mittel übers Hemd kippt. Wir hätten das Gerät woanders anbringen sollen.«
»Aber Sie haben doch genügend auf Band?«
»Ach, jede Menge. Darum geht's nicht. Es geht darum, dass so ein Sender viel Geld kostet.«
»Stellen Sie ihn mir in Rechnung«, versetzte Rhyme bissig, als Branch ihm das Hemd aufknöpfte und das Klebeband abzog, mit dem Mikrofon und Sender angebracht waren.
»Das war eine Falle«, flüsterte Bell. Ganz recht...
»Aber das Gift...«
»Ach, das ist kein Toxaphen«, sagte Rhyme.
»Bloß ein bisschen Schwarzgebrannter. Aus der Flasche, die wir untersucht haben. Übrigens, Ben, falls noch was übrig ist, könnte ich jetzt einen Schluck gebrauchen. Und wenn vielleicht jemand die Klimaanlage wieder einschalten könnte?« Aufgepasst, nach links halten und losrennen, was das Zeug hält. Vielleicht werde ich getroffen, aber wenn ich Glück habe, komme ich davon. Wenn du in Schwung bleibst, kriegt dich keiner... Amelia Sachs trat drei Schritte auf das Gras hinaus. Fertig... Los... Im gleichen Moment ertönte hinter ihr, im Gefängnis, eine Männerstimme.
»Halt, Steve! Lass die Waffe fallen. Auf der Stelle! Ich sag's dir nicht noch mal!« Sachs fuhr herum und sah Mason Germain, dessen Waffe auf den Kopf des erschrockenen jungen Mannes gerichtet war, der mit feuerroten Ohren dastand. Farr ging in die Hocke und legte den Revolver auf den Boden. Mason war im Nu bei ihm und legte ihm Handschellen an. Draußen raschelten Blätter, dann waren Schritte zu hören. Sachs, benommen von der Hitze und der Aufregung, wandte sich der Wiese zu und sah, wie ein hagerer Schwarzer aus dem Gestrüpp stieg und eine schwere Browning einsteckte.
»Fred!«, rief sie. FBI-Agent Fred Dellray, der in seinem schwarzen Anzug fürchterlich schwitzte, kam auf sie zu und wischte pikiert an seinem Ärmel herum.
»Hey, Amelia. Gott, hier drunten ist es viel zu heiß. Ich kann dieses Kaff einfach nicht leiden. Und schau dir den Anzug an. Voller Dreck, oder was weiß ich. Was ist das für ein Zeug, Blutenstaub? So was gibt's bei uns in Manhattan nicht. Schau dir den Ärmel an!«
»Was machen Sie denn hier?«, fragte sie verständnislos.
»Was meinen Sie denn? Lincoln wusste nicht genau, wem er trauen kann und wem nicht, deshalb hat er mich herkommen lassen und mir Deputy Germain zugeteilt, damit wir ein Auge auf Sie haben. Hat sich gedacht, er könnte vielleicht ein bisschen Unterstützung gebrauchen, als er eingesehen hat, dass er Jim Bell und seiner Sippschaft nicht über den Weg trauen kann.«
»Bell?«, flüsterte sie.
»Lincoln meint, dass er das Ganze angezettelt hat. Nimmt ihn sich gerade vor. Sieht aber so aus, als ob er Recht hätte, wenn der da sein Schwager ist.« Dellray deutete mit dem Kopf auf Steve Farr.
»Er hätte mich um ein Haar erledigt«, sagte Sachs. Der schlaksige Agent kicherte.
»Nicht einen Moment lang, auch nicht den klitzekleinsten, hätte Ihnen was passieren
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