Jeier, Thomas
Indianer weiterzugeben«, verspricht Jim, »denn nur wenn unsere Kultur am Leben bleibt, haben die Lakota noch eine Chance. Vielleicht bleibt es ja indianischen Künstlern vorbehalten, zu einer neuen indianischen Identität.«
Wenn es einem gelingen könnte, dann vielleicht Sherman Alexie, dem 1966 geborenen Schriftsteller und Drehbuchautor aus dem Spokane-Reservat im US-Bundesstaat Washington. »Ich schreibe über die Art Indianer, die ich bin: durcheinander, skurril, nicht traditionell. Ich komme aus dem Reservat und bin städtisch geworden.« In spannenden Romanen wie Indian Killer beschreibt er schonungslos die aussichtslose Lage eines heruntergekommenen Stadtindianers, in Smoke Signals ( Regenmacher ), das auch verfilmt und von den meisten Indianern als bester Indianerfilm überhaupt gelobt wird, würzt er sein »Road Movie« mit bitterem Sarkasmus über die Situation in den Reservaten. In seinem preisgekrönten Jugendbuch The Absolutely True Diary of a Part-Time Indian ( Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers ) schreibt er: »Ich würde immer ein Spokane-Indianer bleiben. Diesem Stamm gehörte ich nun mal an. Aber ich gehörte genauso dem Stamm der amerikanischen Einwanderer an. Und dem Stamm der Basketballspieler. Und dem Stamm der Leseratten. Und dem Stamm der Zeichner.« Sarkastischer Humor als indianische Lebenshilfe?
Pow-wow im Crow Country
Ungefähr 10 000 Indianer leben im Crow Reservat, die bereits 1851 gegründet wurde, »ein schönes Land mit reichen Bodenschätzen«, betont Edwina Little Light, »ideales Farmland«, auch wenn die Crow niemals Geld genug besaßen, um in moderne Farmen zu investieren und Wohlstand zu erlangen. »Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und würde niemals weggehen« sagt sie, »hier wurde ich geboren, und hier liegen meine Wurzeln. Ich gehöre zum Greasy Mouth Clan, zum Clan des fettigen Mundes, weil wir so gerne essen und immer fettige Lippen haben.« Die Clans, alle Verwandten einer Mutter, halten den Stamm zusammen, kennzeichnen das soziale Gefüge der Apsaalooke oder Absaroka (»Volk des langschnäbeligen Vogels«), wie sich die Crow immer noch nennen. »Ich lebe nach den Traditionen meines Volkes«, sagt Edwina, »als meine Tochter heiratete, gaben wir ihr ein Tipi voller Geschenke mit. Den Brüdern und Schwestern unseres Schwiegersohnes spielten wir Streiche. So ist es Brauch. Wir sind anders als die Weißen, wir verschenken unseren schönsten Besitz, wenn wir uns freuen. Beim Pow-wow gibt es einen Give-Away-Dance. «
Auf der Crow Nation Fair, die seit über 90 Jahren jedes Jahr am dritten Wochenende im August abgehalten wird, feiern die Crow das Leben. Tausende von Indianern aus allen Teilen der Vereinigten Staaten tanzen in der Sommerhitze. Zum rhythmischen Klang der Trommeln kündigt der »Master of Ceremonies«, der Zeremonienmeister den »Grand Entry« an, den Einzug aller Tänzer und Tänzerinnen, und der Klang der Fußschellen begleitet die bunt gekleideten Indianer auf den Festplatz. Männer, Frauen und Kinder. Farbenprächtige Federn schmücken ihre Kostüme mit traditionellen und fantasievollen Mustern. Hohe Geldpreise warten auf die besten Tänzer in den verschiedenen Disziplinen. Wie Gras im Wind wogen die Wollfransen an den Kostümen der Grass Dancers, mit ihren Bewegungen drückten ihre Vorfahren im 19. Jahrhundert das Präriegras für die anderen Tänzer platt. Die Fancy Dancers tanzen »Freestyle«, bestimmen ihre eigene Choreographie. Die Fancy Shawl Dancers, anmutige Frauen und Mädchen in bunt schimmernden Kostümen, schwingen einen Tanzschal zu ihren fließenden Bewegungen. Kleine Glöckchen erklingen zum Tanz der Jingle Dancers, die ihre Kleider mit kleinen Metalltrichtern verziert haben. Selbst die Kinder nehmen an den Tänzen teil, klatschen einander ab, wenn die Wertung kommt, und sie gut abgeschnitten haben.
Anna Shield, eine junge Oglala-Lakota, treffe ich auf dem Northern Cheyenne Pow-wow in Lame Deer. Sie wuchs in Pine Ridge auf. »Im Reservat ist es schwer, einen Job zu finden«, klagt sie, »und um nach draußen zu gehen, fehlt vielen der Mut. Ich arbeite am Lakota College.« Über das Zusammenleben mit den Weißen sagt sie: »Es gibt immer noch Vorurteile, sogar in Rapid City. Wenn dein Nummernschild mit 65 beginnt - daran erkennt man einen Wagen aus Pine Ridge - hält man dich auf jeden Fall an.«
Helena Rosehall, eine Schoschone-Bannack, lebt im Reservat in Idaho. Sie tanzt auf vielen Pow-wows: »Indem wir auf
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