Jeier, Thomas
Licht und alles Wissen gebracht hatte, soll er in menschlicher Gestalt nach Norden gezogen sein und den dort ansässigen Völkern sein Wissen vermittelt haben. Seine Abneigung gegen Menschenopfer war der Grund, weshalb er Mesoamerika verließ. Die Hopi-Indianer, wahrscheinlich Nachfahren der Anasazi, die heute auf abgelegenen Mesas im Nordosten von Arizona nach alter Tradition leben. berichten in ihren Legenden und Liedern von Kokopelli oder Kokopilau, einem weisen Händler der Tolteken, der in einem Umhang aus bunten Papageienfedern bis zum Ohio River zog. Bei seiner Ankunft in einem Dorf spielte er zum Zeichen seiner friedlichen Absichten auf einer Flöte. Die jungen Frauen sollen darum gestritten haben, als »Begleiterin seiner Träume« mit ihm das Nachtlager teilen zu dürfen, um Nachfahren mit seiner Weisheit gebären zu können.
Ob es diesen Mensch gewordenen Quetzalcoatl oder Kokopelli wirklich gab und ob er den Anasazi im Norden das Wissen seines Volkes übermittelte, sei dahingestellt. Keinen Zweifel gibt es jedoch an der Tatsache, dass ein regelmäßiger Kulturaustausch zwischen den Völkern im Südwesten der heutigen Vereinigten Staaten und jenen in Mesoamerika bestand. In den Ritualen der Hopi finden sich sogar Tänze wieder, die bereits von den Tolteken und später den Azteken zu besonderen Gelegenheiten aufgeführt wurden. Frank Waters, der wohl beste Kenner der Hopi-Kultur, schrieb in seinem Book of the Hopi , dem Standardwerk über dieses Volk: »Die reiche Fülle, groteske Bildhaftigkeit und barbarische Schönheit der Hopi-Zeremonien. [...] entspricht deren Bedeutung und gibt die Rituale der alten Azteken, Tolteken und Maya oftmals exakt wieder.« Als prägnantestes Beispiel gilt der spektakuläre Schlangentanz der Hopi. bei dem junge Männer mit lebenden Klapperschlangen im Mund um Regen für ihre Felder bitten, und den es in ähnlicher Form auch im späteren Mexiko gab. Noch heute sind die Straßen und Wege im San Pedro River Valley zu sehen, über die Händler aus Mesoamerika ihre wertvollen Waren und ihr Wissen nach Norden brachten.
Wie tief jedoch die Einflüsse tatsächlich reichten, die mesoamerikanische Händler in Nordamerika hinterlassen haben, lässt sich heute nicht mehr eindeutig bestimmen. Unstrittig ist, dass die rasante Entwicklung der Anasazi von einfachen Steinzeitmenschen zu einem zivilisierten, relativ hoch entwickelten Volk ohne den Einfluss der mesoamerikanischen Hochkulturen nicht möglich gewesen wäre. Die Anasazi, in den trockenen Wüstengebieten in Arizona und New Mexico einer anderen und wesentlich feindlicheren Umgebung ausgeliefert, waren allerdings gezwungen, die fremden Einflüsse ihrer Umgebung anzupassen. So verließen sie sich nicht ausschließlich auf die von Quetzalcoatl verherrlichte Landwirtschaft, sondern erkannten vielmehr die Notwendigkeit, auch weiterhin als Jäger und Sammler die Ebenen zu durchstreifen. Vom Ackerbau allein konnte man in den Wüstengebieten nicht überleben. Auch verzichteten sie darauf, ihre soziale Struktur nach mesoamerikanischem Vorbild auszurichten. Sie erhoben ihre Anführer nicht zu unantastbaren Göttern, brachten der Sonne keine Menschenopfer dar und bauten keine riesigen Pyramiden und Tempel.
Warum die Anasazi um 1300 von der Bildfläche verschwanden, bleibt bis heute ungeklärt. Vermutet werden eine längere Trockenheit, die ihre Ernten zerstörte und ihnen den Tod brachte, aber auch ein Abbruch der Handelsverbindung nach Mexiko, könnte zum Niedergang geführt haben. Die wenigen Überlebenden zogen ins Rio Grande Valley und tauchten in den Berichten der spanischen Eroberer, die im frühen 16. Jahrhundert ins spätere New Mexico kamen, wieder als »Pueblo« auf. Die Spanier unterdrückten und versklavten die Pueblo, die sich im Herbst 1680 in einer Revolte gegen die Spanier auflehnten, die Herrschaft der europäischen Eindringlinge aber lediglich verzögern konnten.
Die Pyramiden der Moundbuilders
Von den mesoamerikanischen Hochkulturen profitierten auch die Moundbuilders. Dieser Ausdruck bezeichnet kein Volk, sondern ist die Sammelbezeichnung für alle Völker und Stämme, die Erdhügel und Erdpyramiden errichteten, um darin ihre Toten zu begraben oder mit den kolossalen Bauten die Sonne zu ehren. Bei den Angehörigen dieser Kultur waren die Parallelen zu den mesoamerikanischen Hochkulturen so auffällig, dass manche Wissenschaftler sogar zu der Überzeugung kamen, die präkolumbianischen Indianer in den Tälern des
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